Kurzbeispiel: Mobilitätsmanagement in der Wohnsiedlung Riedtli in Zürich
Erstellt am 01.07.2021
Ausgelöst durch das Interesse der Bewohner*innen der Wohnsiedlung Riedtli an Carsharing und Elektromobilität führten Liegenschaften Stadt Zürich (LSZ) und das städtische Beratungsangebot Impuls Mobilität eine Befragung durch, die zur Entwicklung eines breiten Spektrums an attraktiven Mobilitätsangeboten für die Wohnsiedlungen von LSZ beitrug.
Online Version: https://www.mobilservice.ch/de/2589.html
Profil & Eckdaten
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Jährliche Betriebskosten
- mittel (bis Fr. 20'000.-)
Investitionskosten
- hoch (ab Fr. 50'000.-)
Bemerkungen
Die Investitionskosten für die E-Ladestationen (Inbetriebnahme im August 2021) belaufen sich auf rund CHF 130‘000. Die jährlichen Betriebskosten beinhalten neben der Jahrespauschale für das kostenlose Mobility Carsharing-Abo (CHF 12'000 für alle 9'200 städtischen Wohnungen) insb. die drei E-Cargobikes von carvelo2go (CHF 9'000).
Raumtyp
- Zentrum / Stadt
Gemeindegrösse
- > 20'000 Einwohner
Beispiel
Die Wohnsiedlung Riedtli von Liegenschaften Stadt Zürich (LSZ)
Bis 2025 will die Stadt Zürich den Anteil des motorisierten Individualverkehrs (MIV) auf max. 20% reduzieren. Gemäss der Strategie «Stadtverkehr 2025» begegnet die Stadt Zürich dem zunehmenden Mobilitätsbedürfnis mit einem Ausbau des öffentlichen Verkehrs, mit Verbesserungen für den Fuss- und Veloverkehr sowie mit einer attraktiven Gestaltung des öffentlichen Raums. Neben diesen Alternativen zum Auto bietet die geteilte Mobilität (Sharing-Angebote) interessante Entwicklungsperspektiven, um das gesetzte Ziel zu erreichen. Das hat viele Vorteile, besonders für eine zentral gelegene Wohnsiedlung wie das Riedtli. Die Nachfrage der Bevölkerung nach attraktiven und gesunden Lebensräumen sowie nach mehr öffentlichem Raum in der Nähe anstelle von Parkplätzen für private Fahrzeuge bietet ein erhebliches Entwicklungspotenzial. In diesem Sinne ist das Projekt in der Wohnsiedlung Riedtli ein Pilot für die mögliche Zukunft der Mobilität.
Hintergrund
Allgemeines zur Siedlung
Die zu Beginn des 20. Jahrhunderts erbaute Siedlung Riedtli liegt an der Grenze zwischen den Quartieren Unterstrass und Oberstrass im Zürcher Kreis 6. Die Siedlung ist nach dem Modell der englischen Gartenstädte konzipiert. Sie umfasst 66 Gebäude, die in fast 300 Wohnungen unterteilt sind und 2019 von knapp 800 Bewohner*innen bewohnt wurden.
Erschliessung
Fuss/Velo
Die
Wohnsiedlung Riedtli ist im Norden von der stark befahrenen Winterthurerstrasse
und im Süden von der ebenfalls sehr frequentierten Riedtlistrasse begrenzt, in
ihrem Innern ist die Siedlung verkehrsberuhigt. Für Fussgänger*innen gibt es
zahlreiche Übergänge in das umliegende Quartier und viele Trottoirs in der
gesamten Siedlung. Die Wohnsiedlung grenzt im Süden an eine Velo-Hauptroute
gemäss Masterplan Velo der Stadt Zürich und ist somit gut mit dem Fahrrad
erreichbar. Die bestehenden und 2017 ergänzten Velounterstände sind beliebte
Abstellplätze. Darüber hinaus bieten die flächendeckende Tempo 30-Zone und die
zahlreichen Einbahnstrassen mit Velo-Gegenverkehr zusätzlichen Komfort.
Ausserdem gibt es etwa zehn PubliBike-Bikesharing-Stationen sowie einen
carvelo2go-Standort in einer Distanz von weniger als 1 km.
ÖV
Die
Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist sehr gut (ARE ÖV-Güteklasse
A), insbesondere dank der beiden Tramlinien und der Buslinie mit hoher Frequenz
(7-8 Min.) welche unmittelbar an der Wohnsiedlung vorbeiführen.
MIV
Die Wohnsiedlung
wird von zwei Kantonsstrassen begrenzt: im Norden von der Winterthurerstrasse,
einer der Hauptverbindungen zwischen Oerlikon, der Autobahn und dem Zentrum von
Zürich. Im Süden bildet die Riedtlistrasse eine wichtige Ost-West-Verbindung.
Die Siedlung ist jedoch durch zahlreiche Einbahnstrassen und eine Reihe von
Verkehrsberuhigungsmassnahmen (insbesondere eine Begegnungszone) gut vor dem
Verkehr geschützt. Zum Parkieren ist die gesamte Siedlung eine blaue Zone,
deshalb sind Parkplätze im Strassenraum sehr verbreitet. In der Wohnsiedlung
befinden sich zwei Mobility-Parkplätze und mehr als ein Dutzend in einer
Entfernung von weniger als einem Kilometer.
Ausgangslage / Motivation
Engagierte Bewohner*innen der Siedlung (Riedtli-Verein) haben auf Eigeninitiative eine Befragung der Bewohner*innen durchgeführt. Sie wollten Informationen über das Interesse am Carsharing, an der Elektromobilität und anderen Mobilitätsangeboten sammeln. Das Engagement der Bewohner*innen und des Riedtli-Vereins wurde von Liegenschaften Stadt Zürich als Eigentümervertreterin der Siedlung, sehr geschätzt und weiterentwickelt.
Da die Fragen und Antworten nicht aussagekräftig genug waren, um als Entscheidungshilfe zu dienen, schloss sich LSZ mit Impuls Mobilität des Tiefbauamts Stadt Zürich zusammen, das Beratungen zur Optimierung der betrieblichen Mobilität sowie zu Verkehrs- und Mobilitätsaspekten in Planungsprozessen anbietet. Mit Impuls Mobilität wurde eine Umfrage in der Wohnsiedlung Riedtli durchgeführt.
Vorgehen
Nach der vom Riedtli-Verein eigens initiierten Umfrage bei den Bewohner*innen fand eine ergänzende Mobilitätsbefragung der 288 Haushalte durch eine Fachberaterin des städtischen Beratungsangebots Impuls Mobilität statt. Die Auswertung diente als Entscheidungsgrundlage für Investitionen z.B. in Ladestationen für Elektroautos. Eine Besichtigung vor Ort zur Beurteilung der Qualität und Quantität der Veloabstellplätze und ein Interview mit LSZ führte zu Vorschlägen zur Optimierung des Mobilitätsangebots.
Nach einem zweijährigen Prozess wurden im Sinne eines Pilots strengere Vermietungskriterien für Parkplätze festgelegt, Ladestationen für Elektroautos erstellt und vier E-Carsharing-Fahrzeuge platziert.
Zudem können seit März 2021 alle Bewohner*innen, die in einer der rund 9'200 Wohnungen von LSZ leben und einen Fahrausweis Kategorie B besitzen, kostenlos ein Jahresabonnement des Carsharing-Unternehmens Mobility beziehen. Die gefahrenen Kilometer und Stunden werden normal verrechnet. Damit unterstützt LSZ die städtische Strategie einer nachhaltigen Mobilität.
Die in der Pilotsiedlung Riedtli gemachten Erfahrungen mit den Mobilitätsmassnahmen werden nach einer Nutzungsphase evaluiert und für eine allfällige Multiplikation in andere städtische Wohnsiedlungen genutzt.
Massnahmen
Stand: 2021
Bauliche Massnahmen
- Zusätzliches qualitatives Veloabstellangebot: gedeckte zugewiesene und abschliessbare Veloabstellplätze, mit Beleuchtung und Doppelparker
- Installation von zusätzlichen Sitzbänkli und Aufwertung des Kinderspielplatzes
- Auf 14 der 24 Parkplätze werden künftig E-Ladestationen angeboten, davon vier für Carsharing-Fahrzeuge (ab August 2021).
Organisatorische Massnahmen / Anreize
- Die Parkplatzvergabe erfolgt nach festgelegten Kriterien: a.) Behinderung, b.) beruflich unabdingbare Gründe c.) gesundheitliche Gründe d.) geteilt elektrisch betriebenes Auto e.) privates E-Auto
- Die Kosten für einen zugewiesenen Parkplatz wurden von CHF 60.- auf CHF 100.-/Monat erhöht. (Eine Parkkarte in der blauen Zone kostet CHF 300.-/Jahr.)
- Kostenloser Bezug eines Mobility-Carsharing-Abonnements für alle Bewohner*innen der Siedlung Riedtli (und aller weiteren Wohnungen von LSZ) mit einem Führerausweis Kategorie B
- Zwei E-Autos von Mobility, zwei E-Autos von entreprises, drei E-Lastenräder von carvelo2go (kleiner Unterhalt durch Riedtli-Verein): Zugang aller Fahrzeuge durch App bzw. elektronische Freischaltung
- Alle Sharingangebote sind öffentlich zugänglich und nicht allein für die Wohnsiedlung Riedtli reserviert
Information und Bewusstseinsbildung
- Informationen auf den Websites von Liegenschaften Stadt Zürich, des Riedtli-Vereins und der Produktanbieter, Flyer an die Haushalte
- Informationsveranstaltung zu den neuen Mobilitätsangeboten
Wirkung
Verkehr
- Ein Carsharing-Auto ersetzt bis zu elf Privatautos (gemäss Mobility-Studie).
- Die Anzahl der Carsharing-Abos bei Mobility hat sich seit der Lancierung des kostenlosen Mobility-Abos im März bei den Bewohner*innen von LSZ-Wohnungen um rund 500 erhöht (Stand Juni 2021).
- Eine Evaluation der Veränderung des Fahrzeugbesitzes in der Siedlung resp. der Anzahl Parkkarten in der Blauen Zone ist nach Inbetriebnahme jährlich vorgesehen (die geeigneten Kriterien sind noch abschliessend festzulegen)
Umwelt und Energie
- Die erfolgreiche Implementierung der Mobilitätsmassnahmen in der Siedlung bilden die Grundlage für die Multiplikation des Vorgehens und der Angebote in weitere Wohnsiedlungen von LSZ
- Die Mobilitätsstrategie von LSZ unterstützt beim Bauen einen nachhaltigen Umgang mit dem begrenzten Raum in der Stadt.
Gesellschaft
- Die eingeführten Massnahmen stossen bei den Riedtli-Bewohner*innen auf grosse Zustimmung. Ihre Impulse in einer ersten Umfrage haben dazu geführt, dass sich LSZ prioritär und mit grossem Engagement für die Umsetzung der konkreten Massnahmen eingesetzt hat.
- Alle Angebote (Carsharing, carvelo2go) können auch von Personen aus der Nachbarschaft genutzt werden.
Wirtschaft und Finanzen
- Die Installationskosten für die E-Ladestationen (Inbetriebnahme im August 2021) belaufen sich auf rund CHF 130‘000. Die Nutzenden (inkl. Carsharing-Fahrzeuge) bezahlen lediglich die allgemeine Parkplatzgebühr.
- Die Kooperation zwischen LSZ und Mobility für das kostenlose Carsharing-Abonnement für alle Bewohner*innen der 9‘200 städtischen Wohnungen in Zürich beinhaltet eine Pauschale von CHF 12‘000 pro Jahr. Die Nutzungsgebühren für gefahrene Kilometer und Stunden bezahlen die Nutzer*innen selbst.
- Die drei E-Cargobikes des Sharingangebots carvelo2go kosten die LSZ CHF 9‘000 pro Jahr.
Erfahrungen
Erfolgsfaktoren
- Ganzheitliche Mobilitätsstrategie des Portfoliomanagements: Verkehr vermeiden (keine Förderung von Autos), Verkehr verlagern (auf den Fuss- und Veloverkehr und den Öffentlichen Verkehr), Verkehr verbessern (auf elektrischen Antrieb umstellen)
- Kommunizierte Anliegen und Bedürfnisse der Bewohner*innenschaft (Riedtli-Verein) an die Vermieterin (LSZ) als Impuls
- Verankerte Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft in der städtischen Gemeindeordnung nach einer Volksabstimmung bilden rechtliche Rahmenbedingungen
- Unterstützung durch den zuständigen Stadtrat (Exekutive) und engagierte Mitarbeitende in der Stadtverwaltung
Hemmnisfaktoren
- Es braucht Geduld bis alle Neuerungen geregelt und betriebsbereit sind
- Gesetzliche Grundlagen, dass erstellte Pflichtparkplätze bei geringerer Nachfrage nicht extern vermietet oder umgenutzt werden können
Weitere Informationen
Dieses Siedlungsbeispiel wurde in Anlehnung an die Unternehmensbeispiele zum betrieblichen Mobilitätsmanagement und an das Praxis Beispiel «MIWO – Mobilitätsmanagement in Wohnsiedlungen» für die Beispielsammlung auf Mobilservice aufbereitet. Die Erarbeitung und Übersetzung dieses Beispiels wurde durch die Unterstützung der Stadt Zürich ermöglicht (2021).
Weiterführende Links
- Medienmitteilung LSZ vom 1. Juli 2021 zum Mobilitätsmanagement in der Wohnsiedlung Riedtli in Zürich
- Riedtli-Verein
- Beratungsangebot «Impuls Mobilität» der Stadt Zürich
- Medienmitteilung LSZ vom 4. März 2021 zum Carsharing-Angebot für 9’200 städtische Wohnungen
- 2'000 Watt-Stadt Zürich
- Informationen zum Mobilitätsmanagement in Wohnsiedlungen (MIWO und PAWO)
Dokumente auf Deutsch
Kontakt
Stadt
Zürich, Tiefbauamt
Beratungsangebot «Impuls Mobilität»
Werdmühleplatz 3, Amtshaus V
CH-8001 Zürich
Tel. 058 595 78 70 (Geschäftsstelle)
Liegenschaften
Stadt Zürich (LSZ)
Bruno Koch
Morgartenstrasse 29
CH-8004 Zürich
Tel. 044 412 11 11
Verantwortlich für die Ausarbeitung dieses Beispiels :
Geschäftsstelle
Impuls Mobilität der Stadt Zürich
www.stadt-zuerich.ch/impulsmobilitaet
und
Liegenschaften Stadt Zürich (LSZ)
www.stadt-zuerich.ch/liegenschaften