Kurzbeispiel: Mobilitätsmanagement im Ziegeleipark, Horw/Kriens
Erstellt am 04.03.2024
Auf der Gemeindegrenze zwischen Horw und Kriens bei der alten Ziegelei wurde 2023 mit dem Ziegeleipark eine neue Wohn- und Gewerbesiedlung bezogen. Direkt am Bahnhof Horw gelegen befinden sich 207 Wohnungen, wovon rund 20% speziell für Studierende ausgelegt sind. Dieses Angebot bezieht sich auf den nahe gelegenen Campus Horw, wo heute die Hochschule Luzern angesiedelt ist und zukünftig auch die pädagogische Hochschule ihren Standort haben wird. Die Überbauung wurde von der Immobilienanlagestiftung Turidomus realisiert.
Der Ziegeleipark verfügt über eine reduzierte Anzahl Parkplätze mit autofreiem und autoarmem Wohnen. Die Lage neben dem Bahnhof Horw ist dabei eine zentrale Voraussetzung. Weiter stehen den Mietenden Mobilitätspakete zur Verfügung, um einen autofreien Lebensstil zu unterstützen. Die Mietenden erhalten je nach Grösse der Wohnung jährlich unterschiedliche Beiträge für öV und Sharing-Angebote. Dieses kann für die Mobilitätsstation auf dem Areal mit verschiedenen Verkehrsmitteln eingesetzt werden. Der Anbieter der Station ist zugleich verantwortlich für die Ausstellung der Mobilitätsbeiträge und die Kommunikation mit den Mietenden für Mobilitätsbelange. Es gibt eine Mieter:innen-App, die als Kommunikationsmittel zwischen Verwaltung und Mietenden dient. Darauf sind auch Mobilitätsinfos abgebildet sowie Mobilitätsdienstleistungen aufgeführt und nutzbar.
Online Version: https://www.mobilservice.ch/de/3123.html
Profil & Eckdaten
zugeordnete Tags/Schlagwörter
Investitionskosten
- mittel (bis Fr. 50'000.-)
Jährliche Betriebskosten
- hoch (ab Fr. 20'000.-)
Bemerkungen
In den Investitionskosten sind nur Planungsaufwände berücksichtigt, die für die Einführung des Mobilitätsmanagements angefallen sind. Die Betriebskosten beziehen sich hauptsächlich auf die jährlichen Mobilitätsbeiträge an die Mietenden, die Bereitstellung des Sharing-Angebots und das Honorar für den Mobilitätsprovider.
Raumtyp
- Zentrum / Stadt
Gemeindegrösse
- 10'000 - 20'000 Einwohner
- > 20'000 Einwohner
Beispiel
Die Arealplanung Ziegeleipark in Horw/Kriens
Der Ziegeleipark befindet sich im Quartier Steinibach in Horw und ist Teil der Gebietsentwicklung LuzernSüd. Die Überbauung umfasst 207 Wohnungen sowie Flächen für diverses Gewerbe im EG.
Der Ziegeleipark teilt sich in zwei Baufelder auf, wovon eines als autofrei und eines als autoarm realisiert wurde. Somit stehen 0.2 respektive 0.5 Parkplätze pro Wohnung zur Verfügung. Dank attraktiven Alternativen mit öV, Velo und Sharing wird die Mobilität sichergestellt.
Auf dem Areal steht eine eigene Sharing-Station zur Verfügung, welche E-Bikes, E-Cargobikes, E-Roller und E-Autos anbietet. Mietende, die auf einen Parkplatz verzichten, erhalten zudem ein Mobilitätspaket, das Gutschriften für öV-Abos und die Mobilitätsstation mit Sharing-Angeboten beinhaltet. Die Höhe der Gutschriften richtet sich nach der Grösse der Wohnungen und Ausgestaltung als normale oder Studierenden-Wohnung. Die Beträge umfassen CHF 150.- bis 600.- und werden einmal jährlich ausbezahlt. Die Details sind der untenstehenden Tabelle zu entnehmen:
Mietende mit eigenem Auto können im Parkhaus ein Parkplatz mieten und haben daher kein Anrecht auf ein Mobilitätspaket, können aber dennoch Sharingangebote gegen ein Entgeld benutzen. Die Parkplätze wurden zu Beginn verlost unter allen Mietenden, die interessiert waren. Die wenigen Besucherparkplätze müssen über die Mieter-App im Voraus reserviert werden.
Hintergrund
Standort / Rahmenbedingungen
Der Ziegeleipark liegt nahe dem Ortszentrum Horw auf dem Boden der Gemeinde Horw und der Stadt Kriens. Somit ist er Teil von LuzernSüd, dem Perimeter der regionalen Entwicklung in der südlichen Agglomeration von Luzern. Für diesen Entwicklungsschwerpunkt gibt es in verschiedenen Planungswerken Vorgaben bezüglich Mobilität. Ziel ist es, trotz Wachstum den Verkehr flüssig zu behalten.
Das Areal ist ideal erschlossen, mit sämtlichen Verkehrsmitteln ist das Stadtzentrum von Horw, Kriens und Luzern innert kurzer Zeit erreicht.
LV
Der Fuss- und Veloweg Freigleis führt vom Stadtzentrum Luzern zum Mattenhof in Kriens. Von da führt eine gut ausgeschilderte Veloroute weiter nach Horw und zum Areal Ziegeleipark. Die Allmend Luzern mit dem Sport- und Eventangebot liegt am Weg zwischen Luzern und Horw. Der Campus Horw ist zu Fuss bequem zu erreichen, ebenso das Naherholungsgebiet am Schattenberg, dem Fuss des Pilatus. Auch das Ortszentrum Horw mit vielseitigem Einkaufsangebot sowie das Einkaufszentrum Pilatusmarkt sind in wenigen Gehminuten erreichbar. Zudem liegt der See mit der Horwer Bucht 6 Minuten mit dem Velo entfernt.
ÖV
Direkt am Areal angrenzend befindet sich der Bahnhof Horw. Damit besteht Anschluss mit den Zügen der Zentralbahn in Richtung Luzern (Fahrzeit 8 Minuten) respektive Hergiswil-Sarnen und Engelberg. Die S-Bahn verkehrt viermal stündlich in beide Richtungen, zu Hauptverkehrszeiten bestehen Verstärkungszüge. Zudem halten die Interregio-Verstärkungszüge nach Engelberg auch in Horw (in der Hauptsaison 4 mal täglich).
Die Buslinien 14, 16 und 21 verkehren direkt bei der Haltestelle Steinibach, dazu kommt die Linie 20 ab Horw Zentrum.
MIV
Die Autobahnausfahrt liegt direkt hinter dem Pilatusmarkt beim Ziegeleipark. Auf dem Areal besteht in der Tiefgarage ein eingeschränktes Angebot an Parkplätzen (total ca. 0.35 PP/Wohnung).
Ausgangslage / Motivation
In der Arealplanung hat die zentrale Lage und das reduzierte Parkplatzangebot einen ausschlaggebenden Punkt gespielt, damit ein Mobilitätsmanagement realisiert wurde.
- Der Bahnanschluss ist eine grosse Chance für die Nutzerenden des Areals.
- Die direkte Veloroute übers Freigleis von Luzern Richtung Campus Horw bietet eine komfortable und sichere Anbindung mit dem Velo.
- Das Grundkonzept Verkehr definiert Zielwerte für das Gebiet LuzernSüd.
- Im Rahmen der Baubewilligung wird festgehalten, dass eine verträgliche Mobilität zu sichern ist mit vielfältigen und innovativen betrieblichen Massnahmen. Dies ist eine ideale Voraussetzung, ein innovatives Mobilitätsmanagement umzusetzen.
Vorgehen
2019 wurde das Baugesuch bei den beiden Gemeinden eingereicht. 2020 wurde das Mobilitätskonzept als integraler Bestandteil der Baubewilligung freigegeben. Das Mobilitätskonzept zeigt Massnahmen auf, welche im Bau gute Voraussetzungen schaffen sowie im Betrieb die richtigen Anreize für eine vielseitige Mobilität bieten.
Für den Betrieb des Mobilitätskonzepts hat die Eigentümerschaft mit der Trafikpoint AG einen sogenannten «Mobilitätsprovider» beauftragt. Dieser kümmert sich um die Bereitstellung des Mobilitätsangebots als Anbieter der Sharing-Fahrzeuge sowie für das Management der Mobilitätspakete und um die Kommunikation mit den Mietenden. Die Mobilitätsstation wird durch die Albert Koechlin Stiftung über das Programm «Clever unterwegs im Quartier» finanziell unterstützt.
Weiter wird ein jährliches Monitoring erarbeitet, welches den Erfolg und die Nutzung des Mobilitätsmanagement überwacht. Damit können, wo nötig, Anpassungen vorgenommen werden sowie Learnings für Mobilitätsmanagements bei anderen Arealen gezogen werden.
Die Finanzierung des Mobilitätsmanagements erfolgt über die Eigentümerin der Liegenschaft.
Massnahmen
Stand: 2024
Bauliche Massnahmen
- Multimodaler Abfahrtsmonitor mit Echtzeitinformationen im Eingangsbereich bei Briefkästen
- Platz für E-Carsharing
- Platz für E-Rollersharing
- Platz für E-Cargobikesharing
- Platz für E-Bikesharing
- Velopumpe im Aussenraum
- Reduziertes Parkplatzangebot Auto in Einstellhalle/Aussenraum
- Lobby für Coworking und Austausch
Organisatorische Massnahmen / Anreize
- Kostenlose Nutzung öffentliches Bikesharing (nextbike)
- Mobilitätspakete für Mietende ohne Parkplatz (Gutscheine öV-Abo und für arealeigene Sharing-Station)
- Sharing-Fahrzeuge auf dem Areal über Trafikpoint-App nutzbar
- Verlosung der wenigen Parkplätze
- Reservation von Besucher:innenparkplätzen über Mieter-App
- Mobilitätsprovider als «Kümmerer» für Mobilitätsthemen
Information und Bewusstseinsbildung
- Mobilität als Thema in Vermarktung
- Mobilitätsinfos in Mieter:innen-App
- Physischer Versand der Mobilitätspakete mit Informationen
- Multimodaler Abfahrtsmonitor bei Briefkästen (tägliche Wege führen daran vorbei)
- Jährliches Monitoring
Wirkung
Verkehr
- Das in der Baubewilligung definierte Fahrtenkontingent kann eingehalten werden.
- Durch die jährlichen, finanziellen Beiträge können die Anreize regelmässig justiert werden, so dass sich das anvisierte Verkehrsaufkommen einstellt.
Umwelt und Energie
- Es wird vergleichsweise wenig Parkraum im Verhältnis zum Wohnraum benötigt, was eine bessere Ausnützung der Fläche bewirkt.
- Dank Sharing werden weniger eigene Fahrzeuge notwendig. Dies spart Ressourcen in der Herstellung, dem Betrieb und im Unterhalt.
Gesellschaft
- Es entwickelt sich eine neue Mobilitätskultur, die nicht vom eigenen Auto geprägt ist. Dank den attraktiven Mobilitätsangeboten ziehen im Ziegeleipark vor allem Personen ohne eigenes Auto ein.
- Sharing schont nicht nur Ressourcen, sondern lädt auch zu sozialen Interaktionen ein.
- Mit einem innovativen Mobilitätsmanagement werden wichtige Erfahrungen gesammelt.
Wirtschaft und Finanzen
- Für die Vermietung waren die wenigen Parkplätze ein Hindernis. Mit dem umfassenden Mobilitätskonzept konnte dem entgegengewirkt werden.
Erfahrungen
Erfolgsfaktoren
- Die Mobilität wurde bereits in der Vermarktung aktiv kommuniziert. Dies auch aufgrund der tiefen Anzahl Parkplätze. Da ein Umzug generell ein Moment von Veränderungen für die Mietenden ist, ist dies zugleich ein günstiger Zeitpunkt, um Gewohnheiten zu ändern. Dies ist somit eine Chance, neue Mobilitätsformen auszuprobieren und von der idealen Lage zu profitieren und auf ein eigenes Auto zu verzichten.
- Die Beiträge stellen einen echten Anreiz dar, da sie stattliche Beträge umfassen. Sie stellen eine gewisse Relevanz dar, da beispielsweise ein Grossteil eines öV-Abos damit gedeckt werden kann. Die Sharing-Gutscheine ermutigen die Nutzung des arealeigenen Sharings für Personen, die bislang noch keine Erfahrung mit einem solchen Angebot gemacht haben. Die Hürde ist klein, da die Gutscheine direkt ins Kundenkonto gutgeschrieben werden.
- Das Mobilitätsmanagement wurde vom Zeitpunkt des Erstbezugs an eingeführt. Somit wird nicht plötzlich ein Change durch die Eigentümerin initiiert, wie es bei einer Bestandesliegenschaft der Fall wäre. Die Mietenden waren von Anfang an damit konfrontiert, dass die Mobilität etwas anders gelöst ist.
- Das Mobilitätsmanagement wird immer wieder aktiv kommuniziert, was die Identifikation erhöht.
- Das Mobilitätsangebot wird durch einen Mobilitätsprovider betreuet, was für die Eigentümerschaft den Aufwand reduziert und den Mietenden eine Ansprechperson ermöglicht.
Hemmnisfaktoren
- Autoarmes und autofreies Wohnen ist in der Agglomeration Luzern noch neu und stösst auf Interesse. Dennoch ist der Wunsch nach Parkraum noch immer hoch.
Weitere Informationen
Dieses Arealbeispiel wurde in Anlehnung an die Unternehmensbeispiele zum betrieblichen Mobilitätsmanagement und an das Praxis Beispiel «MIPA – Mobilitätsmanagement in Planungsprozessen von neuen Arealen» für die Beispielsammlung auf Mobilservice aufbereitet.
Die Erarbeitung und Übersetzung entstand in Zusammenarbeit mit dem Fachverband Mobility Management Suisse MMS und wurde ermöglicht durch die finanzielle Unterstützung durch EnergieSchweiz.
Weiterführende Links
- Areal Ziegeleipark und das Mobilitätsangebot
- Multimodaler Abfahrtsmonitor in den Eingängen und in der Mieter-App
- Webseite Albert Koechlin Stiftung zur Mobilitätsstation Ziegeleipark
Kontakt
Trafikpoint AG
Kastanienbaumstrasse 301
6047 Kastanienbaum
www.trafikpoint.ch
Verantwortlich für die Ausarbeitung dieses Beispiels
Fachverband Mobility Management Suisse MMS
www.mms-gms.ch