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Intelligente Fussverkehrssteuerung in der Stadt Basel

Erstellt am 04.05.2021

Die Steuerungen der meisten Lichtsignalanlagen sind auf den motorisierten Individualverkehr, den öffentlichen Verkehr und in letzter Zeit auch vermehrt auf den Veloverkehr ausgelegt. Die Anforderungen des Fussverkehrs werden oft ungenügend berücksichtigt. In der Stadt Basel wird für einmal eine andere Optik eingenommen und es werden Erfahrungen mit einer fussverkehrsfreundlichen Lichtsignalanlage gesammelt und ausgewertet.

Profil & Eckdaten

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Jährliche Betriebskosten

  • gering (bis Fr. 5'000.-)
0 5'000 20'000
  • gering (bis Fr. 5'000.-)

Investitionskosten

  • mittel (bis Fr. 50'000.-)
0 10'000 50'000
  • mittel (bis Fr. 50'000.-)

Raumtyp

  • Zentrum / Stadt
  • Agglomeration

Gemeindegrösse

  • 5'000 - 10'000 Einwohner
  • 10'000 - 20'000 Einwohner
  • > 20'000 Einwohner

Beispiel

Beispiel Stadt Basel: Lichtsignalanlage Kannenfeldpark

Das Amt für Mobilität Basel-Stadt hat im Dezember 2018 mit der Erneuerung des Steuergerätes und der Software an der Lichtsignalanlage Kannenfeldpark in der Flughafenstrasse einen Pilotversuch mit einer intelligenten Fussverkehrssteuerung gestartet. Folgende Massnahmen kamen zum Einsatz:

  • Automatische Fussverkehrsanmeldung durch Erfassung der sich annähernden Fussgänger*innen vor Erreichen des Wartebereichs
  • Verlängerung der Fussverkehrsphase durch Überwachung der Querungsstelle
  • Fussverkehrsvorrangschaltung durch Erfassung des Fussverkehrsaufkommens im Aufstellbereich
  • Zurücknahme der Fussverkehrsanmeldung, wenn die Grünphase nicht abgewartet wird.

Flughafenstrasse in Basel: An der Lichtsignalanlage Kannenfeldpark wurde ein Pilotversuch mit einer intelligenten Fussverkehrssteuerung durchgeführt (Foto: Kanton Basel-Stadt) Flughafenstrasse in Basel: An der Lichtsignalanlage Kannenfeldpark wurde ein Pilotversuch mit einer intelligenten Fussverkehrssteuerung durchgeführt (Foto: Kanton Basel-Stadt)

Die Lichtsignalanlage Kannenfeldpark aus der Perspektive der Zufussgehenden (Foto: Kanton Basel-Stadt) Die Lichtsignalanlage Kannenfeldpark aus der Perspektive der Zufussgehenden (Foto: Kanton Basel-Stadt)

Beschreibung

Gesamtansicht der Fussgängerlichtsignalanlage am Kannenfeldpark (Grafik: Kanton Basel-Stadt) Gesamtansicht der Fussgängerlichtsignalanlage am Kannenfeldpark (Grafik: Kanton Basel-Stadt)

Hintergrund

Angesichts des grossen Verkehrsaufkommens in den urbanen Gebieten ist eine effiziente, nachhaltige und sichere Verkehrsabwicklung mit Hilfe von Lichtsignalsteuerungen wichtig. Die in der Schweiz etablierten Steueranlagen sind in der Regel an einen vordefinierten Phasenablauf gekoppelt. Sie können Grünzeiten für den fahrenden Verkehr verlängern und den öffentlichen Verkehr bevorzugen. Das Aufkommen neuer Technologien ermöglicht es zunehmend, flexibler auf die Verkehrslage vor Ort zu reagieren.

Beispielsweise wird in der Stadt Luzern ein System der Selbststeuerung eingesetzt, das mit der Angabe von vorhandener Detektions- und Signalgeber-Infrastruktur eine Optimierung der Grün- und Rotzeiten vornimmt, wobei auch die Wartezeiten an den Querungsstellen des Fussverkehrs reduziert werden können (vgl. Forschungsgruppe SVT, IVT der ETH Zürich: Wirkungsanalyse Selbst-Steuerung in Luzern, Zürich 2020). Bei all diesen Steuerungen steht die Optimierung des Verkehrsdurchsatzes im Vordergrund, also möglichst viel Fahrzeugverkehr in möglichst kurzer Zeit durchzuschleusen, wobei die Fussgängerquerungen den Verkehrsdurchsatz limitieren.

In den letzten Jahren werden zunehmend Erfahrungen mit Ansätzen gesammelt, um Lichtsignalsteuerungen besser an die Bedürfnisse der Zufussgehenden anzupassen. Im Rahmen eines SVI-Forschungsprojektes wurden beispielsweise in den Städten Basel und Zürich Versuche an lichtsignalgesteuerten Knoten mit Rundumgrün für den Fussverkehr durchgeführt (vgl. SVI-Forschungsprojekt 2011/024: Langsamverkehrsfreundliche Lichtsignalanlagen, Basel 2015).

Auslöser für das Pilotprojekt in der Stadt Basel war der Umstand, dass an Lichtsignalanlagen Zufussgehende per Knopfdruck zwar einen Bedarf anmelden, den Wartebereich aber verlassen, bevor die Freischaltung zum Queren der Strasse erfolgt. Die Gründe dafür sind lange Wartezeiten oder das nicht sofortige Umschalten bei wenig motorisiertem Verkehr. Solche Situationen sind unbefriedigend:

  • Die Zufussgehenden queren die Fahrbahn bei Rot oder «wild» an einer anderen Stelle und setzen sich damit unnötigen Risiken aus.
  • Der Fahrzeugverkehr wird an der Lichtsignalanlage gestoppt, obwohl keine Person die Strasse überqueren will, was zu einer Behinderung des Verkehrsflusses und einer Erhöhung der Umweltbelastung durch unnötiges Warten und zusätzliches Anfahren führt.

Zur Vermeidung solcher Situationen sollte ein Fussgängerübergang an einer Lichtsignalanlage mit Messsensorik und Intelligenz ausgestattet werden, die zu einer bedarfsgerechteren Regelung führen.

Angebot

Wärmebildansichten auf den Fussverkehrsübergang und Annäherungsbereich (Foto: Kanton Basel-Stadt) Wärmebildansichten auf den Fussverkehrsübergang und Annäherungsbereich (Foto: Kanton Basel-Stadt)

Die Lichtsignalanlage wurde mit vier Wärmebildsensoren in 6 m Höhe ausgestattet. Diese erfassen die Zufussgehenden, Velofahrenden und den motorisierten Verkehr auf Grundlage ihrer abgegebenen Wärme. So kann eine vollkommen anonyme Datenerhebung und Datenverarbeitung garantiert werden. Die Fussverkehrslichtsignalanlage wird vollverkehrsabhängig betrieben, wobei die Buslinien bevorzugt behandelt werden und die Freigabe der Fussgängerphase zurückhalten können. Der Fussverkehr kann die MIV-Phase abbrechen, abhängig vom Fussgängeraufkommen und vom MIV-Aufkommen. Die Sensorfelder für die frühzeitige und berührungslose automatische Anmeldung bei Annäherung zum Fussgängerübergang sind so eingestellt, dass sie sofort und ohne Zeitverzögerung reagieren und eine Anmeldung auslösen.

Sensorfelder für den Pilotversuch (Grafik: Kanton Basel-Stadt) Sensorfelder für den Pilotversuch (Grafik: Kanton Basel-Stadt)

Erfahrungen

Die Versuche zur frühzeitigen automatischen Fussverkehrsanmeldung, zur Verlängerung der Grünphase, Rücknahme der Fussverkehrsanmeldung bei Rotläufer und die Bevorrechtigung der Zufussgehenden nach Anzahl Personen können als positiv beurteilt werden. Infolge dieser Erkenntnisse wurde in Basel bereits eine weitere Lichtsignalanlage mit dieser Technik für den Dauerbetrieb ausgestattet.

Automatische Fussverkehrsanmeldung
Mit der automatischen Fussverkehrsanmeldung ist ein deutlicher Komfortgewinn möglich. Die Umschaltung zum Grün für den Fussverkehr dauert an dieser Lichtsignalanlage 6 Sekunden. Die rechnerische Gehzeit von der Anmeldung durch Betreten eines Sensorfeldes im Annäherungsbereich bis zur Betätigung des Fussgängertasters beträgt ca. 4 Sekunden. Eine Person mit dem Wunsch die Strasse zu queren wartet also höchstens noch 2 Sekunden bis zur Freigabe der Fussgängerphase. Mit dieser Massnahme konnte die Wartezeit für die Zufussgehenden auf ein Drittel gegenüber der konventionellen Anmeldung mit Betätigen eines Tasters reduziert werden.

Verlängerung der Fussgängerphase
Um langsameren Personen und Gruppen eine bedarfsgerechte Grünzeit zum sicheren Queren der Strasse zu ermöglichen wurde eine Technik eingebaut, die die Grünphase individuell zu verlängern vermag. Gegenüber der konventionellen Technik, die den Zufussgehenden fix 8 Sekunden Grünzeit gewährte, kann damit eine Mindestgrünzeit von 5 Sekunden stufenlos bis auf 20 Sekunden verlängert werden. Diese Massnahme führte zu einem auf den ersten Blick paradoxen Ergebnis: Deutlicher Komfortgewinn für den Fussverkehr trotz insgesamt weniger Fussverkehrsgrün. Die Erklärung für diesen Umstand ist relativ einfach: Zwar profitierten die Zufussgehenden bei rund 58% der Querungen von einer Grünzeitverlängerung. Die Gesamtgrünzeit für den Fussverkehr nahm jedoch im Beobachtungszeitraum um 11% ab, weil bei 42% der Grünphasen die Mindestgrünzeit von 5 Sekunden für die Querung der Fahrbahn ausreichte.

Fussverkehrsvorrangschaltung
Die Lichtsignalanlage ist so eingestellt, dass dem Fussverkehr eine höhere Priorität gewährt wird, wenn das Fussverkehrsaufkommen einen vordefinierten Schwellwert im Sensorfeld überschreitet. In diesem Fall wird die MIV-Grünphase sofort abgebrochen. Im Beobachtungszeitraum wurde kein entsprechend hohes Fussgängeraufkommen registriert, das eine Vorrangschaltung auslöste.

Rücknahme Fussverkehrsanmeldung
Ein wichtiger Vorteil der intelligenten Fussverkehrssteuerung ist, dass durch die schnelle Freigabe der Grünphase für den Fussverkehr weniger Rotläufer zu beobachten sind. Während des Erhebungszeitraums kam es deshalb nur zu wenigen automatischen Fussverkehrsanmeldungen, bei denen die Zufussgehenden die Strasse ohne Abwarten der Grünphase betreten haben und eine Rücknahme der Anmeldung eingeleitet werden musste. In den allermeisten dieser Fälle wurde eine Grünphase mit der Mindestgrünzeit von 5 Sekunden ausgelöst und nur in sehr wenigen Fällen reichte die Zeit aus, um die Anforderung der Fussverkehrsgrünphase wieder zurückzunehmen, ohne dass eine Grünphase geschaltet wurde.

Anschauliches Video zum Pilotversuch "Intelligente Fussverkehrssteuerung in der Stadt Basel"

Wirkung

Umwelt und Energie

Mit der intelligenten Fussverkehrssteuerung steht die Förderung des Fussverkehrs im Vordergrund, die als nachhaltigste Mobilitätsform bezeichnet werden kann. Gleichzeitig haben die Begleituntersuchungen gezeigt, dass weniger Anhalte- und Anfahrvorgänge des MIV entstehen. Damit trägt diese Massnahme zu einer Reduzierung der Lärmimmissionen und der CO2-Emissionen bei.

Gesellschaft

Die intelligente Fussverkehrssteuerung ist eine Massnahme, die das Zufussgehen attraktiver und sicherer macht. Sie wirkt auf verschiedenen Ebenen positiv. Einerseits lädt sie dazu ein, kurze und mittlere Strecken vermehrt aktiv zu Fuss zurückzulegen, unterstützt deshalb die Alltagsbewegung und trägt zur Gesundheit der Bevölkerung bei. Andererseits belebt vermehrtes Zufussgehen den öffentlichen Raum, fördert soziale Kontakte und bewirkt eine verbesserte Aufenthaltsqualität in den Stadtquartieren.

Wirtschaft

Wenn sie als Ersatz konventioneller Steuerungsanlagen am Ende des Lebenszyklus eingesetzt werden, verursachen intelligente Fussverkehrssteuerungen, praktisch keine oder nur wenig Zusatzkosten und können im Rahmen des ordentlichen Budgets für den Betrieb und Unterhalt von Verkehrssteuerungssystemen finanziert werden.

In Bezug auf den Ressourcenverbrauch und die Investitionskosten wird mit dem Fussverkehr eine sparsame Verkehrsart gefördert. Im Vergleich zu allen anderen Mobilitätsformen verursacht das Zufussgehen am wenigsten externe Kosten, unter Berücksichtigung des volkswirtschaftlichen Nutzens resultiert sogar ein Nettonutzen (vgl. ARE: Externe Kosten und Nutzen des Verkehrs in der Schweiz, Bern 2018).

Werkzeugkasten

Vorgehen

Um die Installation einer intelligenten Fussverkehrssteuerung mit automatischer Fussverkehrsanmeldung, Verlängerung der Fussverkehrsgrünphase, Fussverkehrsvorrangschaltung und Rücknahme der Anmeldung an weiteren Lichtsignalanlagen oder lichtsignalgeregelten Knoten einrichten zu können, müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein. Insbesondere für die Installation der automatischen Fussverkehrsanmeldung müssen die Voraussetzungen geprüft werden und erfüllt sein. Sollten die Bedingungen nur teilweise erfüllt sein, wird einerseits zwar ein Komfortgewinn für den Fussverkehr generiert, andererseits kann es durch Fehlanmeldungen zu starken Beeinträchtigungen des Verkehrsflusses an der Lichtsignalanlage kommen.

Die folgende Tabelle zeigt die wichtigsten Einsatzkriterien für die Umsetzung der Massnahmen.

Finanzierung

Der zusätzliche Aufwand für die intelligente Fussverkehrssteuerung kostete im Rahmen der Erneuerung des Steuergerätes und der Software für die Lichtsignalanlage Kannenfeldpark rund CHF 20'000 und kam damit knapp 17% teurer als der sowieso anstehende Ersatz mit der konventionellen Lösung. Die Finanzierung erfolgte durch das ordentliche Budget für das städtische Verkehrssteuerungssystem.

Marketing

Die intelligente Fussverkehrssteuerung ist gut abgestimmt mit dem verkehrspolitischen Leitbild des Kantons Basel-Stadt und mit der damit verbundenen Kommunikationsplattform «www.basel-unterwegs.ch», die als wichtigen strategischen Schwerpunkt vorsehen, die Lücken im Fuss- und Veloverkehr zu schliessen und deren Infrastrukturen sicher und nutzergerecht zu gestalten.

Weitere Informationen

Weiterführende Links

Dokumente auf Deutsch

Kontaktadressen und Bezugsquellen:

Kanton Basel-Stadt
Bau- und Verkehrsdepartement
Amt für Mobilität, Verkehrssteuerung
Markus Störr
Dufourstrasse 40/50 / Postfach
CH-4001 Basel
Tel. 061 267 81 92

www.mobilitaet.bs.ch

Fragen Sie auch die Vertreter von Mobilservice Praxis Ihres Kantons um Rat.

Verantwortlich für die Ausarbeitung dieses Praxis-Beispiels:

Fussverkehr Schweiz
Klosbachstrasse 48
CH-8032 Zürich
Tel. 043 488 40 30