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Kollibri: Das On-demand-Angebot im Praxistest (mit Kurzbeispiel)

Erstellt am 30.06.2020

Wie kann man den öffentlichen Verkehr sinnvoll ergänzen und ihn dank den Möglichkeiten der Digitalisierung weiterentwickeln? «Kollibri» hiess die Antwort, die während eines Jahres in der Region Brugg getestet wurde. Das Tür-zu-Tür-Angebot ging auf individuelle Mobilitätsbedürfnisse ein und versuchte zugleich, Fahrten zu bündeln. Der Test hat sehr gut funktioniert.

Profil & Eckdaten

zugeordnete Tags/Schlagwörter

  • Pendler
  • Einkauf
  • Freizeit
  • ÖV

Investitionskosten

  • hoch (ab Fr. 50'000.-)
0 10'000 50'000
  • hoch (ab Fr. 50'000.-)

Jährliche Betriebskosten

  • hoch (ab Fr. 20'000.-)
0 5'000 20'000
  • hoch (ab Fr. 20'000.-)

Raumtyp

  • Zentrum / Stadt
  • Agglomeration
  • Ländlich / Dorf

Gemeindegrösse

  • 10'000 - 20'000 Einwohner
  • > 20'000 Einwohner

PostAuto hat mit Kollibri ein On-demand-Projekt erfolgreich umgesetzt (Foto: PostAuto) PostAuto hat mit Kollibri ein On-demand-Projekt erfolgreich umgesetzt (Foto: PostAuto)

Beispiel

Kollibri in der Region Brugg

PostAuto ist fast in der ganzen Schweiz präsent und bietet in Agglomerationen wie auch in peripheren Regionen regionalen Personenverkehr an. Im täglichen Betrieb zeigt es sich, dass die Postautos vor allem zu Randzeiten nicht immer gut ausgelastet sind. Gleichzeitig ist die Mobilität derzeit einem Wandel unterzogen. Individualisierung, wechselnde Nutzung von Verkehrsmitteln sowie die Möglichkeiten der Digitalisierung prägen die Entwicklung. PostAuto sucht deshalb nach Möglichkeiten, sein Kerngeschäft mit intelligenten Mobilitätsangeboten zu ergänzen. Dies auch im Sinne der Kantone, die als Besteller des regionalen Personenverkehrs an effizienten Mobilitätsformen interessiert sind. Von Oktober 2018 bis Oktober 2019 hat PostAuto gemeinsam mit den Partnern SBB und AMAG, unterstützt vom Bund und vom Kanton Aargau sowie zusammen mit lokalen Taxibetreibern «Kollibri» getestet. Kundinnen und Kunden konnten mit Hilfe einer App einen Kleinbus bestellen, der sie innerhalb eines Perimeters von einem selbst definierten Start zu einem selbst gewählten Ziel brachte. Waren zeitgleich andere Kundinnen und Kunden auf einer ähnlichen Strecke unterwegs, so kam es zum Pooling der Fahrten im selben Fahrzeug. Die App wickelte nicht nur den Fahrtenwunsch, sondern auch die Bezahlung sowie die Steuerung des Betriebs ab.

Die Wahl für das Pilotprojekt fiel auf die Region Brugg im Kanton Aargau. Sowohl der Kanton wie auch die Region zeigten sich in der Vergangenheit sehr offen gegenüber Innovationsprojekten von PostAuto, wie beispielsweise das Brennstoffzellen-Projekt. Zugleich hat die Region eine Siedlungsstruktur mit Agglomerationen und ländlichen Gebieten, eine ideale Mindestgrösse, und dennoch gibt es im ÖV-Angebot Lücken.

Beschrieb

Die meisten Kundinnen und Kunden von Kollibri waren auch mit dem öffentlichen Verkehr unterwegs. Sie nutzten den On-demand-Shuttle als Ergänzung und waren mit dem Angebot sehr zufrieden (Foto: PostAuto) Die meisten Kundinnen und Kunden von Kollibri waren auch mit dem öffentlichen Verkehr unterwegs. Sie nutzten den On-demand-Shuttle als Ergänzung und waren mit dem Angebot sehr zufrieden (Foto: PostAuto)

Hintergrund

Der öffentliche Verkehr in der Schweiz funktioniert nach einem fixen (Takt)-Fahrplan und festgelegten Linien. Die Individualisierung der Gesellschaft zeigt sich jedoch zunehmend auch in Bezug auf den öffentlichen Verkehr. Potenzielle Kunden haben den Wunsch nach unmittelbar verfügbaren Angeboten und individuell definierten Strecken, ohne selbst ein Auto zu besitzen. Dank der Digitalisierung lassen sich solche Angebote heute steuern und betreiben.

PostAuto ist überzeugt, dass der öffentliche Verkehr in der heutigen Form noch lange existieren wird. Zugleich muss der öffentliche Verkehr auch effizient sein. Es ist zu teuer, wenn abends nach der Stosszeit ein Bus praktisch leer durch die Gegend fährt, nur weil es der Fahrplan vorgibt. Hier setzt PostAuto an: Das Transportunternehmen will Mobilitätsangebote entwickeln, die sowohl den Bedürfnissen der Besteller (Kantone) wie auch denjenigen der Kundinnen und Kunden gerecht werden. Im Sinne der PostAuto-Strategie geht es darum, den öffentlichen Verkehr der Zukunft mitzugestalten und sinnvolle und effiziente neue Angebote zu entwickeln. Das Pilotprojekt «Kollibri» steht dabei exemplarisch für den Weg, den PostAuto geht: Das Transportunternehmen hat bereits jahrelange Erfahrung mit On-demand-Verkehr (PubliRide-Angebote in Appenzell und in der Westschweiz). Dank der Digitalisierung sollte es nun gelingen, auf Basis dieser Erfahrung das Angebot weiterzuentwickeln. Zudem sollte «Kollibri» während eines Jahres in der Region Brugg aufzeigen, wie die Nachfrage und die Zahlungsbereitschaft bei den Kunden ist. PostAuto siedelte das Angebot zwischen Taxi und klassischem ÖV an.  

Angebot

  • Kernelement von Kollibri war eine App des finnischen Anbieters Kyyti. Nutzerinnen und Nutzer konnten mit der App auf ihrem Smartphone in wenigen Schritten eine Fahrt mit einem Kleinbus buchen und bezahlen. Die Buchung war Tage im Voraus, aber auch bis kurz vor Fahrtbeginn möglich. Die App zeigte den Kunden jeweils an, ob ein Fahrzeug für seine gewünschte Fahrt verfügbar sei. Innerhalb eines definierten Perimeters und zu bestimmten Bedienzeiten waren sämtliche Strecken zu individuellen Fahrzeiten buchbar. Der Kunde konnte bei der Buchung angeben, wann er abgeholt werden wollte oder wann er an einem bestimmten Ziel sein musste. In der zweiten Projekthälfte konnten Kunden mit dem Ziel Brugg Bahnhof in der App auswählen, welchen Zug sie erreichen wollten. Die Software errechnete eine auf die Zugsabfahrt optimierte Fahrt mit Kollibri.
  • Die App diente nicht nur als Buchungsplattform, sie gab den Fahrtenwunsch auch einem verfügbaren Fahrer in einem der Kleinbusse weiter, der den Einsatz bestätigte. Dazu waren die Fahrzeuge mit Tablets ausgerüstet. Das System konnte auch Fahrten bündeln. Wenn demnach zwei Kunden zur gleichen Zeit eine ähnliche Strecke fahren wollten, so wurden diese beiden Kunden gemeinsam – wenn auch mit unterschiedlichen Start- und Zielorten – befördert.
  • Näherte sich der Kleinbus dem gebuchten Abfahrtsort, so sah der Fahrgast dies auf seiner App und konnte sich rechtzeitig zum vereinbarten Ort begeben. Beim Einsteigen zeigte er dem Fahrer die App, auf der die vereinbarte und bereits bezahlte Route angezeigt war. Am Ende der Fahrt konnte der Kunde die Fahrt bewerten.
  • Um das Projekt breit abzustützen, bestand eine Kooperation mit SBB und AMAG sowie für den Betrieb mit lokalen Taxibetreibern aus der Region Brugg. Unterstützung gab es vom Kanton Aargau und vom Bundesamt für Verkehr (BAV).

On demand: Per App geben die Kund*innen ihre Fahrtwünsche an (Foto: PostAuto) On demand: Per App geben die Kund*innen ihre Fahrtwünsche an (Foto: PostAuto)

Erfahrungen

Die Partner PostAuto, SBB und AMAG zogen am 18. Oktober 2019 – genau ein Jahr nach dem Start des Pilotprojekts – eine positive Bilanz des Pilotprojekts Kollibri in der Region Brugg und beendeten das Vorhaben wie geplant. Kundinnen und Kunden waren in dieser Zeit insgesamt 8521 Mal mit einem Kollibri-Fahrzeug unterwegs, das ergab einen Durchschnitt von knapp 25 Fahrten pro Tag. Eine durchschnittliche Kollibri-Fahrt wies eine Länge von 4,2 Kilometern auf und dauerte knapp 10 Minuten. 1230 Personen nutzten das neue Mobilitätsangebot und 5852 Personen luden die Kollibri-App auf ihr Smartphone. Wer mit Kollibri unterwegs war, bewertete Bestellung, Bezahlung und Abwicklung der Fahrt fast ausnahmslos (98% der Rückmeldungen) positiv. Damit zeigte sich, dass die Fahrgäste gut mit der App zur Bestellung des Fahrdienstes zurechtkamen, und Kollibri einem Bedürfnis auf der letzten Meile der Mobilität entspricht.  

Am häufigsten waren die Kollibri-Fahrzeuge am Abend unterwegs mit Nachfragespitzen am Freitag- und Samstagabend. Zu Zeiten, da der ÖV-Fahrplan weniger dicht war, nahm die Zahl der Kollibri-Fahrten zu. Eine Befragung ergab, dass die Kundinnen und Kunden Kollibri vor allem für den Ausgang, die Freizeit oder für den Arbeitsweg nutzten. Wer mit Kollibri fuhr, war offenbar zugleich auch ÖV-Kunde wie Umfrageresultate zeigten. Zudem zeigte die Auswertung der Fahrten, dass die meisten Kollibri-Fahrten zum Bahnhof Brugg führten oder diesen als Ausgangspunkt hatten. Versuchsweise wurden im Rahmen der Tests die Kollibri-Tarife für Kunden mit ÖV-Abos gesenkt, worauf die Zahl der Kollibri-Nutzungen deutlich stieg.  

Das Pooling - die Bündelung von mehreren, gleichzeitigen Fahrten – hat nicht das erhoffte Niveau erreicht. Trotz vieler umgesetzter Marketing- und Informations-Massnahmen konnte der Zielwert von 1.7 Personen pro Fahrt nicht erreicht werden. Hauptursachen sind die zu geringe Anzahl Fahrten pro Stunde, das grosse Bediengebiet und die Tür-zu-Tür Bedienung. Hier stellt sich die Frage, wie in der Agglomeration ein zufriedenstellender Bündelungsgrad erreicht werden kann. Im stärker ländlichen Gebiet wird ein On-demand-System dann interessant, wenn die Kosten tiefer sind als von regulären Kursen. In diesem Fall ist der Bündelungsgrad zu vernachlässigen.

Wirkung

Umwelt und Energie

Aufgrund der tiefen Nutzerzahlen im Vergleich zur Gesamtmobilität im Raum Brugg (Zug, Auto etc.) konnte keine Veränderung des Modalsplits festgestellt werden. Nutzerumfragen ergaben, dass ca. 20% der Nutzer Kollibri anstatt des eigenen Autos nutzten. Ein erfreulicher Wert. Jedoch ist hier anzumerken, dass Kollibri-Strecken mit VW Caravelle (mit Dieselantrieb) gefahren wurde. Umweltfreundliche Antriebe wie Erdgas oder Elektroantriebe waren von unserem Partner AMAG in dieser Zeit (noch) nicht lieferbar. Wenn jedoch umweltfreundliche Antriebe eingesetzt und eine höhere Poolingrate erreicht wird, können On-demand-Verkehre ein echtes Argument in Bezug auf Nachhaltigkeit werden.

Gesellschaft

Die Ankündigung, Kollibri zu beenden, rief bei Kundinnen und Kunden teilweise enttäuschte Reaktionen hervor, was zeigt, dass das Angebot einem Mobilitätsbedürfnis entsprach und Potenzial für die Zukunft hat. Die Kundenakzeptanz war hervorragend. PostAuto ist überzeugt, dass die Möglichkeiten der Digitalisierung, verbunden mit der Individualisierung in der Gesellschaft neue Formen der Mobilität schaffen werden. Auch während der Coronakrise wären On-demand-Verkehre womöglich ÖV-Angebote, die als erstes wieder das Vertrauen der Fahrgäste erreichen würden. Es ist im Interesse der Kantone und des gesamten öffentlichen Verkehrs, dass die etablierten Transportunternehmen mit ihrer Erfahrung diese Entwicklung mitgestalten.

Wirtschaft

Regionaler Personenverkehr kann nicht wirtschaftlich betrieben werden, die Transportunternehmen sind auf Abgeltungen der Kantone als Besteller des Angebots angewiesen. Es ist deshalb im Sinne der öffentlichen Hand und damit letztlich der Öffentlichkeit, den ÖV möglichst effizient zu betreiben. Im fahrplanmässigen öffentlichen Verkehr ist zu beobachten, dass Verkehrsmittel zu Randzeiten in gewissen Regionen nur wenige Fahrgäste transportieren. Die Fixkosten sind aber gleich, ob ein Bus gut ausgelastet oder fast leer ist. On-demand-Angebote wie Kollibri könnten hier zu einer Effizienzsteigerung des Systems beitragen. Die Fahrzeuge sind nur unterwegs, wenn es tatsächlich ein Bedürfnis dafür gibt. Zudem kann die Fahrzeuggrösse an die Erfordernisse angepasst werden.

Werkzeugkasten

Vorgehen

PostAuto hat inzwischen die positiven Resultate aus Kollibri Brugg genutzt und zwei bestehende, eigene PubliCar-Angebote digitalisiert (Waadt, Appenzell) sowie mit Kollibri Brig ein weiteres Projekt gestartet. Zudem erhielt PostAuto diverse Anfragen von Gemeinden/Gebieten für eine Umstellung von bestehendem Linienverkehr auf on-demand.   Bitte wenden Sie sich an untenstehende Adresse bei Interesse für: -          Umstellung von bestehenden Bedarfsbussen auf eine digitale, sehr kundenorientierte Lösung

  • Ortsbus mit On-demand-Verkehr
  • Prüfung einer Umstellung von bestehenden Linien auf On-demand-Verkehr
  • Generellen Erfahrungsaustausch  

Aufgrund diverser umgesetzter Projekte kann PostAuto Ihnen sehr rasch eine Offerte erstellen sowie zeitnah die Umsetzung des Vorhabens ermöglichen.  

Neben der App-Lösung und entsprechender Beratung kann PostAuto weitere Module anbieten:

Finanzierung

Ein Kollibri-Angebot wie in Brugg kann unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht eigenwirtschaftlich betrieben werden. Inwiefern ein solches On-demand-Angebot zum öffentlichen oder zum privaten Verkehr gehört, wurde im Rahmen des Projekts unter anderem in einer von PostAuto initiierten Arbeitsgruppe mit dem Bund und weiteren Kantonen intensiv diskutiert, konnte aber nicht abschliessend geklärt werden. Im Kanton Aargau fehlen heute die rechtlichen Grundlagen, um ein Angebot wie Kollibri in die ÖV-Bestellung zu integrieren. Ein allfälliger Anpassungsbedarf bei der Bereitstellung des Verkehrsangebots oder den gesetzlichen Rahmenbedingungen sollte schweizweit kompatibel und in enger Abstimmung mit dem Bund erfolgen.

Marketing

Lancierungsanlass von Kollibri beim Bahnhof Brugg (Foto: PostAuto) Lancierungsanlass von Kollibri beim Bahnhof Brugg (Foto: PostAuto)

Zur Bekanntmachung des Angebots und zur Steigerung der Nutzerzahlen wurden zahlreiche Marketing-Massnahmen umgesetzt: 

  • Einrichten eines Webauftritts inkl. Erklärvideo
  • Einrichten einer Facebook-Gruppe
  • Online-Werbung (20 Minuten, Watson, AZ, Aymo und SBB-Kanäle)
  • Werbung und Videobeiträge auf Social Media (Facebook, Instagram)
  • Plakate (APG und eigene F4-Ständer)
  • Werbung im Postauto (Bildschirme, Hängekartons mit Dispenser)
  • Push-Nachrichten zu Neuigkeiten im Angebot Einführung von „Schwerpunkt-Monaten“ (z.B. „Fitness-Monat“ im Januar), um den Kollibri-Nutzen für ausgewählte Fahrtzwecke zu verdeutlichen
  • Durchführung von 5 örtlichen Marketingevents an zentralen Orten oder an Veranstaltungen, z.B. Promotionen auf dem Neumarktplatz und am Bahnhof SBB, Martinimarkt, Klausmarkt, Turnerabend Scherz
  • Mailing in alle Haushalte im Bediengebiet
  • Einbindung der Gemeindeverwaltungen im Bediengebiet für die Information der Einwohner mittels Mitteilungsblatt
  • Durchführung eines Seniorenworkshops

Dank der Marketingaktionen zu Kollibri Brugg sind insgesamt über 70 Pressemeldungen erschienen.  

Weitere Informationen

Links

Kontaktadresse

PostAuto
Belpstrasse 37
CH-3007 Bern
Tel. 058 341 37 92

Fragen Sie auch die Vertreter*innen von Mobilservice Praxis Ihres Kantons um Rat:   

Verantwortlich für die Ausarbeitung dieses Praxis Beispiels:

Kanton Aargau
Departement Bau, Verkehr und Umwelt 
Abteilung Verkehr
Karin Wasem
Entfelderstrasse 22
CH-5001 Aarau