Velostrassen kommen in der Schweiz an
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Erstellt am 04.10.2023
Wenn sich ein Auto einer Velofahrerin oder einem Velofahrer nähert, verlangen die Verkehrsregeln, dass der oder die Velofahrer:in an den Strassenrand fährt, um das motorisierte Fahrzeug passieren zu lassen. So entsteht eine Hierarchie, basierend auf der Geschwindigkeit und dem Gewicht der Fahrzeuge. Wäre es möglich, diese Hierarchie manchmal umzukehren und Velos Vortritt zu geben? Diese Idee stammt aus Deutschland und wurde auch bereits in den Niederlanden, in Skandinavien, Belgien und Luxemburg erprobt. Auf einer Velostrasse ist der Autoverkehr dem Fahrradverkehr untergeordnet. Auf diesen Strassen herrscht ein umgekehrtes Machtgefälle zwischen Autofahrenden und Velofahrenden. In Deutschland experimentiert die Stadt Bremen seit 2014 mit einer Velostrasse. Im Juni 2022 wurde ein Bericht über die Wirksamkeit dieser Massnahme veröffentlicht, der zeigt, dass der Veloverkehr zwar stark zugenommen hat, es aber weiterhin Konfliktpunkte mit Autofahrenden gibt, und daher weitere Anpassungen nötig sind.
In der Schweiz ist es gesetzlich nicht möglich, Velos gegenüber Autos zu bevorzugen. Allerdings wurden ab 2016 in der Stadt Basel sowie in anderen Städten in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Strassen und des BFU Pilotversuche mit Velostrassen durchgeführt. Seit dem 1. Januar 2021 ermöglicht die Änderung der Verordnung über die Tempo-30-Zonen und Begegnungszonen nun die Einrichtung von Velostrassen in der ganzen Schweiz. Velos haben dort zwar nicht wie in den Niederlanden Vortritt, aber die Strasse wird trotzdem so gestaltet, dass der Veloverkehr optimiert wird. Konkret zeichnen sich diese Tempo-30-Zonen dadurch aus, dass an Kreuzungen, die von der Velostrasse überquert werden, der Rechtsvortritt abgeschafft wird. Die Velostrasse hat also Vorrang gegenüber der Strasse, die sie kreuzt, wodurch Velofahrende leichter vorankommen können.
Mehrere Städte in der Deutschschweiz wie Bern, St. Gallen, Winterthur, Rüti oder Wil wollen Velostrassen einführen oder haben dies bereits getan. In der Westschweiz hat die Stadt Aigle diesen Sommer zwei Velostrassen eingeweiht. Die Stadt Gland wird am 2. November 2023 ihre erste Velostrasse einweihen, wobei eine komplette Neugestaltung geplant ist.
Letztere ist ein gutes Beispiel für das Potenzial dieser Art von Strassen. Die Rue de la gare gehört nämlich zu den Hauptachsen für den Veloverkehr der waadtländischen Gemeinde (eine notwendige Voraussetzung für die Einführung einer Velostrasse), da sie alle nördlichen Stadtviertel mit dem Bahnhof verbindet. Die Aufhebung der Rechtsvortritte entlang dieser Strasse ermöglicht es den Velofahrenden somit, den Bahnhof schneller und einfacher zu erreichen. Fussgänger:innen profitieren von einem breiteren und durchgehenden Trottoir entlang der gesamten Strasse und zudem wurde die Begrünung verstärkt, um einen freundlicheren öffentlichen Raum zu schaffen und Hitzeinseln zu reduzieren. Der Autoverkehr ist weiterhin erlaubt und folgt den Regeln der Tempo-30-Zonen. Was die Signalisation betrifft, gibt es zurzeit keine Schilder, die Velostrassen kennzeichnen. Die Stadt hat sich daher für eine spezielle Bodenmarkierung (grosses Velopiktogramm) an den Enden der Strasse entschieden, die an den Kreuzungen wiederholt werden, um die Besonderheit dieser Strasse hervorzuheben. Die Strasse mündet in Begegnungszonen im Süden (Place de la Gare) sowie im Norden (wird derzeit eingerichtet) und trägt so zu einem ruhigeren Verkehr in der Waadtländer Stadt bei.
Weitere Informationen
- Informationen zu Velostrassen auf der Website von Rue de l'Avenir (fr)
- Bericht der Stadt Bremen über den Verkehrsversuch mit Velostrassen (Juni 2022)
- Velostrassen in der Stadt Basel
- Velostrasse in Aigle (Projekt der Büro für Mobilität AG)
- Pressemitteilung der Stadt Gland vom 22. September 2023 zur Einweihung ihrer ersten Velostrasse
- Smartcity-Seite der Stadt Gland zur Velostrasse
- Mobilservice Webinar zu Velostrassen (Juni 2021)
- Mobilservice Praxis Beispiel zu Velostrassen (Dezember 2020)