Kurzbeispiel: Erkundungsrundgang für Frauen in Lausanne
Erstellt am 28.11.2019
Die Rolle der Frau im öffentlichen Raum wird seit vielen Jahren in verschiedenen Ländern diskutiert und gewinnt auch in der Schweiz an Bedeutung. So genannte Erkundungsrundgänge („marches exploratoires“) kommen ursprünglich aus Kanada und Frankreich und ermöglichen es Frauen, sich im öffentlichen Raum einzubringen, aktiv zur eigenen Sicherheit beizutragen und sich in der Stadt Gehör zu verschaffen. Dass sich ganz unterschiedliche Personen im öffentlichen Raum aufhalten und ihn für soziale Zwecke nutzen, ist für Dynamik von Quartieren und Innenstädten von grosser Bedeutung.
Es ist ein wichtiges Anliegen der Stadt Lausanne, dass alle Zugang haben zu den öffentlichen Räumen und ein gutes Zusammenleben möglich ist. Im Rahmen von geplanten oder laufenden Klein- und Grossprojekten oder bei gelegentlichen Verbesserungen des öffentlichen Raums möchte die Stadt die Bevölkerung in die Diskussion über die Lebensqualität in der Stadt einbeziehen und legt dabei einen Schwerpunkt auf Frauen. Deshalb beschloss sie, in der Innenstadt einen Erkundungsrundgang für Frauen zu organisieren.
Online Version: https://www.mobilservice.ch/de/2269.html
Profil & Eckdaten
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Investitionskosten
- gering (bis Fr. 10'000.-)
Bemerkung
Die Kosten für einen Erkundungsrundgang betragen zwischen CHF 5‘000.- und CHF 10‘000.- je nach der Anzahl NutzerInnengruppen (nur Frauen oder auch weitere), der Art der Kommunikation und dem Detaillierungsgrad der Analyse. Die Ausarbeitung von Gestaltungsempfehlungen hängt von der Art der Massnahmen ab.
Raumtyp
- Zentrum / Stadt
- Agglomeration
- Ländlich / Dorf
Beschreibung
Der Erkundungsrundgang fand im September 2018 statt, anlässlich der Mobilitätswoche. Folgende Ziele wollte die Stadt damit erreichen:
- Eine Übersicht zu erhalten, welche Orte von den Teilnehmerinnen positiv und welche negativ wahrgenommen werden und welche Verbesserungen sie sich für diese Orte wünschen würden.
- Für gewisse öffentliche Orte Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten
Dieser Erkundungsrundgang erlaubte, die spezifischen Bedürfnisse der Frauen besser zu identifizieren, um sie bei der Planung des öffentlichen Raums besser berücksichtigen zu können. Um die Beobachtungen zu erleichtern und zu strukturieren, wurden drei Diskussionsthemen gewählt: Mobilität, öffentliche Räume sowie Begegnungs-, Spiel- und Sporträume. Einige Punkte wurden von den Teilnehmenden mehrmals genannt, wie z.B. Brunnen und Grünräume im öffentlichen Raum, die in der Stadt geschätzt, aber nicht ausreichend vorhanden seien. Die Frauen erzählten auch, dass sie gewisse Wege nur zu bestimmten Tageszeiten nutzen. Eine Abkürzung kann tagsüber attraktiv sein, wird aber nachts aufgrund fehlender Beleuchtung gemieden. Auch auf die Themen Sicherheit und Belästigungen im öffentlichen Raum kamen die Teilnehmerinnen zu sprechen, als sie über die Gestaltung des öffentlichen Raumes sprachen. Die Teilnehmerinnen erzählten, wie sie Fusswege in der Einkaufsmeile der Innenstadt tagsüber mögen, sich aber nachts, wenn die Läden geschlossen sind, unwohl fühlen. Auch unangenehme Gerüche oder Geräusche können einen Ort wenig einladend machen.
Der Erkundungsrundgang richtete sich explizit an Frauen: Den Teilnehmerinnen fiel es so leichter, auch über persönliche Gefühle zu sprechen, als dies in einer gemischten Gruppe der Fall gewesen wäre. Ausserdem trug die Vielfalt der Teilnehmerinnen zu einem wertvollen Austausch bei. Fast 50 Frauen nahmen am Rundgang in Lausanne teil. Sie waren sehr verschieden, auch wenn junge Frauen tendenziell übervertreten waren.
Grundsätzlich ist es sehr wichtig, nicht nur das Thema Gender zu berücksichtigen, sondern ganz unterschiedliche Nutzer- und Nutzerinnengruppen (Männer, Frauen, SeniorInnen, Kinder usw.) einzubeziehen. Dies erlaubt, ein vollständiges Bild vom Funktionieren der öffentlichen Räume, insbesondere in den Innenstädten, zu erhalten. In Lausanne ist dieser Erkundungsrundgang denn auch Teil eines grösseren Vorhabens mit dem Ziel, BewohnerInnen und andere NutzerInnen durch verschiedene Projekte und Veranstaltungen in die Neugestaltung der öffentlichen Räume der Stadt einzubeziehen.
Umsetzung
Die Stadt Lausanne hat ein Büro, das für Mobilitätsfragen spezialisiert ist, beauftragt, sie bei der Organisation und Durchführung des Erkundungsrundgangs zu unterstützen. Dieses Büro konnte gegenüber den Teilnehmerinnen eine neutrale Rolle einnehmen. Die Durchführung des Erkundungsrundgang erfolgte in drei Schritten:
- Vorbereitung
des Erkundungsrundgang:
Alle Nutzerinnen der Innenstadt wurden eingeladen, ebenso Verbände und diverse Kontaktpersonen. Die Route wurde durch die Stadt Lausanne und auf Empfehlung des beauftragten Büros festgelegt. - Durchführung
des Rundgangs:
Jede Gruppe wurde von einer externen Moderatorin begleitet sowie von einer Protokollantin, die Notizen und Fotos machte. Die Teilnehmerinnen konnten frei erzählen, wie sie die verschiedenen Orte wahrnehmen. Der Rundgang beinhaltet einige im Voraus festgelegte Stationen und zusätzlichen Stationen nach Wunsch der Teilnehmerinnen. - Zusammenfassung
und Empfehlungen durch die beauftragten ExpertInnen:
In einem Fotobericht wurden die wichtigsten Punkte z.H. der Teilnehmerinnen festgehalten. Darin wurden die konkreten Probleme der besuchten Orte identifiziert und es wurden Vorschläge gemacht, wie mit gestalterischen Massnahmen den Bedürfnissen besser Rechnung getragen werden könnte.
Wirkung
Der Erkundungsrundgang erzielte direkte Wirkungen. So waren die Teilnehmerinnen etwa dankbar und zufrieden, dass sie ihre Stimme einbringen konnten. Es ist deshalb wichtig, dass die Behörden das Thema weiterverfolgen und die Bevölkerung über die Resultate und weiteren Schritte informieren. Ausserdem ist auch zentral, intern die Realisierung der Massnahmen zu verfolgen. Diese Art der Partizipation erlaubte, in kurzer Zeit viele Informationen zu sammeln.
Im Anschluss an diesen Rundgang und die Empfehlungen des externen Büros identifizierte die Stadt Lausanne eine Reihe von Aktionen, die bereits geplant oder in Umsetzung waren. Andere Massnahmen müssen noch verfeinert werden und der bestehende Massnahmenkatalog wurde durch neue Ideen erweitert. Zu den Massnahmen gehören beispielsweise die Renovierung von Unterführungen und öffentlichen Toiletten oder das Aufstellen von Picknicktischen, zum Beispiel auf dem Arlaud-Platz. Schlussendlich werden die Inputs der Teilnehmerinnen und die daraus resultierenden Empfehlungen die Stadt für alle NutzerInnen zugänglicher und angenehmer machen.
Die grosse Medienpräsenz am Erkundungsrundgang zeigt, dass das Thema sehr aktuell und von grossem gesellschaftlichem Interesse ist.
Weitere Informationen
Links
- Le Temps-Artikel vom 21.09.2018 zum Erkundungsrundgang
- RTS-Reportage vom 21.09.2018
- Mobilservice Praxisbeispiel „Gendergerechte Freiraum- und Fusswegplanung"
- Alle Mobilservice Praxisbeispiele
Kontakt
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