Strassen werden zu Fussgängerzonen
Erstellt am 01.07.2010
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Profil & Eckdaten
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Investitionskosten
- hoch (ab Fr. 50'000.-)
Bemerkungen
Die Investitionskosten sind abhängig vom Umfang der realisierten Anlage.
Raumtyp
- Zentrum / Stadt
- Agglomeration
Gemeindegrösse
- > 20'000 Einwohner
Die Fussgängerzonen oder -plätze zählen zur Palette all jener Massnahmen, die zur Erhöhung der Attraktivität der Innenstädte eingesetzt werden können und die Qualität des öffentlichen Raums innerhalb einer Gemeinde verbessern. Wird den Fussgängern die Möglichkeit geboten, sich absolut sicher und zwanglos in einem Umfeld ohne irgendwelche Beeinträchtigungen (Lärm, Abgase) zu bewegen, so steigert das ihr Wohlbefinden und hat auch auf den Komfort der jeweiligen Bewohner positive Auswirkungen. Diese Orte können zu echten Plätzen der Begegnung und des gemeinsamen Lebens werden, was vor allem Kinder und flanierende Passanten freut. Gleichzeitig profitieren die umliegenden Geschäfte von diesem Wandel und im ganzen Stadtviertel kann sich eine neue Dynamik entwickeln. Dank eines solchen Konzepts werden auch der Einkauf oder ein einfacher Spaziergang in die City zum Vergnügen.
Beispiel Yverdon-les-Bains
Im Rahmen der Aufwertung des historischen Stadtkerns von Yverdon-les-Bains wurde im Frühjahr 2008 mit den Arbeiten zum Ausbau der Rue de l’Ancienne-Poste zur Fussgängerzone begonnen. Die Strasse stellt eine neuralgische Verbindung zwischen Zentrum und Bahnhofsvorplatz dar, wodurch ihre Neugestaltung sich für die Stadt als grosse Herausforderung hinsichtlich Mobilität und Erreichbarkeit darstellte. Die Strasse als Teil des öffentlichen Raums hatte lange Zeit kein besonders gutes Image und wurde erst mit Hilfe der Renovierung und Neugestaltung zu einer strukturierenden, Stadtteile übergreifenden Achse im Sinne des „Konzepts des kommunalen Langsamverkehrs”. Infolgedessen wurde die Strasse in Place de l'Ancienne-Poste umbenannt. Durch die Betonung ihrer städtebaulichen Eigenschaften konnte auch der zuvor mangelhaft definierte Status geklärt werden. Ziel dieser Art von Anlage ist es, zur Erweiterung des Angebots im Bereich direkte, gesicherte und benutzerfreundliche Fussgängerwege beizutragen.
Eine Reihe von Massnahmen wurden getroffen, um diese „Strasse” in einen einheitlich gestalteten, einladenden, wirklichen „Platz” zu verwandeln. Strassencafés, frei zugängliche Sitzgelegenheiten und eine eigene Beleuchtung wurden eingesetzt, damit sich die Fussgänger auch so richtig wohlfühlen. Dank der genannten Massnahmen wurde dieser städtische Raum nicht nur zu einer der den Bahnhof mit der Altstadt verbindenden Hauptachsen der Stadt, sondern auch zu einem richtigen öffentlichen Platz, der sich besonders während der Sommermonate als gemütlicher Treffpunkt erweist.
Beschreibung
Hintergrund
Die Verdichtung der Strasseninfrastruktur im Stadtgebiet führte häufig zur Verunstaltung sowohl der Wohn- als auch der Geschäftsviertel. Indem man die Fussgänger auf schmale Bürgersteige verbannte und so jede Möglichkeit des Austauschs und der Begegnung zwischen den Menschen zunichte machte, haben diese Orte ihre sozialen Funktionen völlig verloren. Die Strassen sind oft nicht besonders sicher (so etwa für die Kinder) und das gemeinschaftliche Miteinander zwischen den Nutzern wurde durch die wenig geeignete Bebauung erheblich in Mitleidenschaft gezogen.
Seit Anfang des 20. Jahrhunderts war die Rue de l’Ancienne-Poste immer eine Art Mittelpunkt für die Stadt Yverdon-les-Bains. Im Lauf der Jahre wurde diese Strasse jedoch nahezu auf ihrer gesamten Länge sowie auf beiden Seiten durch intensives und ständiges Parkieren blockiert, wodurch sie alles andere als einladend wirkte. Der Ausbau dieser Strasse in eine Fussgängerzone entsprach dem Willen der Gemeindeverwaltung, die damit das Imagedefizit dieses öffentlichen Raums wettmachen und Synergien zwischen den verschiedenen Plätzen der Stadt schaffen wollte.
Auf dem unweit des historischen Stadtkerns gelegenen Platz befinden sich heute eine Bibliothek, Cafés und Restaurants und eine ganze Reihe kleiner Geschäfte. Durch den Umbau dieser Strasse in eine Fussgängerzone ist es hier nun möglich, sich abseits des Strassenverkehrs eine Zeit lang zu entspannen und zu erholen.
Die Umsetzung dieses Konzepts birgt zwei wesentliche Aspekte.
Zunächst muss es in ein umfassenderes Projekt integriert werden, um weitreichendere Überlegungen zum Thema Langsamverkehr (sanfte Mobilität) innerhalb eines Stadtviertels oder einer Gemeinde anstellen zu können. Fussgängerzonen sind in den meisten Fällen Teil eines Raumordnungsplans zum Zweck der Verkehrsberuhigung innerhalb eines Ballungsraums. Da sie mit anderen, bereits vorhandenen Anlagen harmonieren müssen, verdienen sie auch besondere Beachtung. Im vorliegenden Fall verfolgt die Stadt Yverdon-les-Bains mehrere Ziele im Bereich Langsamverkehr, wobei es insbesondere um eine bessere Nutzung der öffentlichen Räume, die verstärkte Verwendung von Velos und das Gehen zum Zweck der Fortbewegung im Alltag geht.
Um diesen Vorstellungen gerecht zu werden, wurden im Zuge der Planung des Platzes besondere Anstrengungen unternommen. Um ein möglichst einheitliches Erscheinungsbild gewährleisten zu können, hat man die Trottoire entfernt und auf dem gesamten Platz Pflastersteine verlegt. Das Pflaster wurde nach einer traditionellen „Sand-Fugen” bzw. „Sand-Splitt-Fugen” Methode verlegt und fügt sich so hervorragend in das Bild der Häuserfassaden des historischen Zentrums ein. Durch diese Art der Ausführung entsteht eine Abgrenzung von der benachbarten Strasse und sie trägt zur Vereinheitlichung des gesamten Areals des Platzes bei. Die Pflastersteine ragen grosszügig über die angrenzenden Trottoire hinaus, wodurch die Aufnahme der Passanten begünstigt wird.
Der zweite, nicht weniger wichtige Aspekt beruht auf der Tatsache, dass diese Zone zu einem qualitativ hochwertigen, öffentlichen Platz für den städtischen Nutzer werden soll. Die Möglichkeiten der Flächennutzung für Fussgänger sind so vielfältig, dass es schade wäre, wenn diese unausgeschöpft blieben. Im Rahmen der Umgestaltung der Place de l’Ancienne-Poste wurden mehrere Anlagen für einen verbessertem Komfort der Passanten installiert:
- Strassencafés: einheitliches Mobiliar auf dem gesamten Platz
- Judasbäume: Schattenspender an sonnigen Tagen
- Veloparkplatz: ermöglicht den Velofahrern das sichere Abstellen Ihrer Velos
- Sitzbänke: Einrichtung auf besonderen Wunsch der Bevölkerung
- Brunnen: Hommage an das Wasser als ein für die Stadt Yverdon-les-Bains wesentliches Element
- Beleuchtung: dient insbesondere der optimalen Nutzung während der Nachtstunden
- Fussgängerübergang: auf die Verlängerung des Platzes verlagert
Durch diese Vielzahl von Elementen wurde die Fussgängerzone der Ancienne-Poste in Yverdon-les-Bains erfolgreich in einen ruhigen und funktionellen Ort verwandelt.
Erfahrungen
Seit 2002 gibt es in der Schweiz drei Hauptinstrumente zur Verkehrsberuhigung[1]. Die Fussgängerzonen, die 20 km/h Begegnungszonen und die Tempo-30-Zonen. Im Bereich der Fussgängerzonen besteht darüber hinaus auch die Möglichkeit der Schaffung gemischter Zonen, in denen auch die Nutzung von Velos erlaubt ist. Um die diesbezügliche Vorgehensweise möglichst effizient zu gestalten, sollten konsequente Überlegungen hinsichtlich jener Anlagen angestellt werden, die für die Befreiung der überfüllten Stadtzentren vom motorisierten Individualverkehr nötig sind.
Im Fall der Rue de l’Ancienne-Poste fiel die Wahl aus folgenden Gründen auf eine Fussgängerzone:
- Der zur Verfügung stehende Platz ist relativ beschränkt und eignet sich nicht wirklich für die gemeinsame Nutzung durch Fussgänger und Fahrzeuge.
- Da sich die Strasse ja in der Altstadt befindet, d.h. im touristischen und historischen Zentrum der Stadt, wurde die Durchfahrt von Fahrzeugen an diesen Plätzen mit besonders hoher Fussgängerfrequenz vermieden.
- Die direkte Verbindung zwischen der Rue de l’Ancienne-Poste und den Fusswegen des historischen Stadtzentrums von Yverdon-les-Bains hat ebenfalls zu dieser Wahl beigetragen, die sich als vernünftig und passend erwiesen hat.
Die Umsetzung des Projekts bedeutet für die Benutzer mehr Lebensqualität und aus der Strasse wurde nicht nur eine nützliche Achse, sondern auch ein Platz, der sich bestens für verschiedenste Veranstaltungen (Konzerte, Antiquitäten- und Trödelmärkte, etc.) eignet. Der Zugang zu den anderen Fusswegen der Altstadt von Yverdon-les-Bains konnte verbessert werden, während die Strassencafés rund um den Platz echte Ruhezonen darstellen.
Den immensen Bemühungen ist es auch zu verdanken, dass der Ausbau der Place de l’Ancienne-Poste eine Hauptrolle bei der Verleihung des Wakkerpreises 2009 an die Stadt Yverdon-les-Bains spielte.
Wirkung
Zur Bewertung der Auswirkungen dieser Anlage im Hinblick auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft hat die Agenda 21 der Stadt eine Auswertungstabelle erstellt. Siehe Link.
Umwelt und Energie
Die Eindämmung des Verkehrsaufkommens im Stadtgebiet bringt neben einer verminderten Lärmbelästigung sowie einer generellen Verringerung von Unannehmlichkeiten und der durch Abgase verursachten Umweltbelastung auch eine Sicherung der Verkehrswege mit sich. Darüber hinaus tragen Fussgängerzonen in Stadtzentren zur Entwicklung und Förderung umweltschonender, den Prinzipien nachhaltiger Mobilität entsprechender Methoden der Fortbewegung bei. Und letztlich sind das Anlegen von Grünflächen und die Aufwertung des öffentlichen, städtischen Raums auch effiziente Mittel zur Verbesserung der Umweltqualität einer Stadt.
Gesellschaft
Fussgängerzonen oder –plätze begünstigen die neuerliche Belebung eines Stadtteils und fördern dabei den Austausch zwischen den Bewohnern. Öffentlichen Plätze im Stadtzentrum haben eine starke soziale Funktion, was ihre geographischen und urbanen Charakteristiken angeht. Diese Orte sollen die Bürger dazu einladen, in aller Ruhe und Sicherheit ihre Einkäufe zu erledigen oder einfach nur zu bummeln und andere Menschen zu treffen.
Wirtschaft
Durch die Förderung der Attraktivität und die optimierte Erschliessung der Stadtzentren stellen diese Anlagen auch eine Unterstützung der lokalen Gewerbetreibenden dar, indem diese eine grössere Plattform erhalten und die Sparte Nahversorgung massgeblich gefördert wird. Des Weiteren werden durch diese Art der Raumplanung auch die Bereiche Tourismus und Gastronomie positiv beeinflusst, da sie die Verbindung von Freizeit und Fortbewegung ermöglicht.
Werkzeuge
Vorgehen
- Die Politiker von der Richtigkeit des Vorhabens überzeugen.
- Informationen über die geltenden kantonalen Vorschriften bezüglich der für diese Art von Anlage notwendigen Genehmigungen einholen.
- Bevölkerung und Gewerbetreibende in das Projekt einbinden.
- Sicherstellen, dass ein Finanzierungsplan vorhanden ist bzw. einen diesbezüglichen Antrag an die zuständige Gemeindebehörde stellen.
- Das Projekt zum Zweck der Einholung von Offerten ausschreiben oder Städtebauexperten zu Rate ziehen, die dann ein Raumkonzept erstellen.
- Umsetzen und die Bevölkerung informieren.
- Die Auswirkungen der Anlage auf das städtische Umfeld evaluieren.
Finanzierung
Die für die Realisierung dieser Anlage anfallenden Kosten von rund 880’000.- CHF wurden im Rahmen des Investitions- und Ausgabenplans der Stadt geplant und in diesen aufgenommen. Diese Kosten werden in drei grosse Kategorien unterteilt:
- Vorarbeiten: 114\\'000.- CHF entfallen hauptsächlich auf Tätigkeiten im Rahmen der Anhebung unterirdischer Installationen (Wasser, Swisscom, etc.)
- Aussengestaltung: 550\\'000.-CHF entfallen einerseits auf die Nivellierung und die Pflasterarbeiten am Platz und andererseits auf alle nötigen Einrichtungen (Brunnen, Bäume, Bänke, etc.)
- Nebenkosten: 215’000.-CHF betreffen in erster Linie die Honorarkosten der Dienstleister.
Die Instandhaltungskosten sind letztlich nicht höher als die zuvor für die bestehende Anlage veranschlagten. Die den Strassencafés und –restaurants vorbehaltenen Flächen ermöglichen Einnahmen in Höhe von 4’000.- CHF pro Jahr (Schätzung 2007).
Marketing
Zu Informations- und Werbezwecken hat die Gemeinde Yverdon-les-bains mehrere Medien eingesetzt. Zunächst wurde die Information gleich nach Bewilligung des Projekts in der Gemeindezeitung (Bonjour) veröffentlicht. So konnte die Bevölkerung bezüglich des Fortschritts der Arbeiten und bevorstehender Ereignisse auf dem Laufenden gehalten werden.
Bereits in der Anfangsphase der Arbeiten auf der Baustelle wurde ein informatives Transparent quer über der Strasse angebracht.
Einweihungen und andere Festakte wurden sowohl bei Fertigstellung der Arbeiten am Platz als auch bei der Platzierung des Springbrunnens - bei der sogar ein Helikopter zum Einsatz kam - organisiert.
Vor Umsetzung des Projekts wurden die Gewerbetreibenden der Umgebung kontaktiert, um sie über das Vorhaben der Gemeinde zu unterrichten und bei dieser Gelegenheit gleich in das Projekt einzubinden
Weitere Infos
Weiterführende Links:
- Stadt Yverdon-les-Bains: www.yverdon-les-bains.ch
- Agglomerationsprojekt: www.aggloy.ch
- Gesetz bezüglich Fussgängerzonen: www.admin.ch/ch/d/sr/741_21/a22c.html
Weitere Downloads:
- Gemeindegutachten 03/07, Auswertungstabelle, Pläne und Perspektiven:
www.yverdon-les-bains.ch/autorites-politiques-administration/conseil-communal/preavis-2010/archives-preavis-2007 - Bericht an den Gemeinderat: www.yverdon-les-bains.ch/fileadmin/yverdon/Documents/Conseil_communal/Rapports/2007_rapports/2007_03_Rapport_Place_Ancienne-Poste.pdf
- Dossier Mobilservice PRAXIS „Zonen mit Tempobeschränkung” (2006):
www.mobilservice.ch/mobilservice/akten/mobilitaet/liste-aller-beispiele-1.html?&fa_view_practicalfolder_apercu_1033
Kontaktadressen und Bezugsquellen:
Stadt Yverdon-les-Bains
Städtebau und Gebäudeplanung
Rathaus, Place Pestalozzi 1, 2. Stock
CH-1401 Yverdon-les-Bains
Thibaud-Zingg Architekten
Architektur und Städteplanung EPFL-SIA-FAS
Rue des pêcheurs 7
1400 Yverdon-les-Bains
Fragen Sie auch die Vertreter von Mobilservice PRAXIS Ihres Kantons um Rat.
Verantwortlich für die Ausarbeitung dieses Praxis-Beispiels:
Kanton Waadt
Service de la Mobilité
Avenue de l\\'Université 5
1014 Lausanne
Dokumente
Dokumente auf Deutsch
- Strassen werden zu Fussgängerzonen - Druckversion [PDF, 1.03 MB]
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Bildergalerie
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- Für weitere Informationen siehe Dossier Mobilservice PRAXIS „Zonen mit Tempobeschränkung” (2006)