Mit dem Velo zur Arbeit: So kann die Schweiz aufholen
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Erstellt am 06.05.2019
In der Schweiz werden 7% der Pendelfahrten mit dem Velo zurückgelegt. Das Velofahren zur Arbeit wird zwar immer attraktiver, aber dennoch liegt die Schweiz diesbezüglich im europäischen Durchschnitt. In den Niederlanden ist der Anteil der VelopendlerInnen zum Beispiel viermal so hoch.
Was sind die Beweggründe und Hindernisse, dieses Verkehrsmittel für das tägliche Unterwegssein zu nutzen? Ein kürzlich erschienenes Buch gibt einen Überblick über das Thema für die Schweiz. Die Autoren Patrick Rérat, Gianluigi Giacomel und Antonio Martin befragten rund 14'000 TeilnehmerInnen der schweizweiten Aktion bike to work. Das entstandene Gesamtbild bestätigt einige offensichtliche Fakten, offenbart aber auch einige Überraschungen.
Die Befragten nennen die Kosten nicht als vorrangige Motivation, was der vorherrschenden Auffassung widerspricht. Drei weitere Beweggründe stehen im Vordergrund. Der erste ist die Suche nach Wohlbefinden, sowohl physisch als auch psychisch. Velofahren wird sowohl in Bezug auf körperliche Betätigung als auch auf psychische Zufriedenheit als positiv empfunden. Der zweite Beweggrund ist der Wunsch nach Effizienz: In einem Kontext von Stau und überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln wird das Velo wegen seiner Geschwindigkeit und seiner ausgeprägten Fähigkeit, von Tür zu Tür zu gehen, ausgewählt. Schließlich ist der dritte Beweggrund das gesellschaftliche Engagement, wobei einige Befragte angaben, dass sie aus ökologischen Gründen motiviert sind.
Die Studie zeigt, dass es in der Schweiz zwischen den verschiedenen Regionen sehr grosse Unterschiede gibt bezüglich Velonutzung. Sichtbar werden diese insbesondere zwischen den verschiedenen Sprachregionen. Die Autoren der Studie widerlegen die kulturelle Erklärung und deuten die Unterschiede vielmehr als Zeichen der sehr unterschiedlichen Verkehrsbedingungen. Die Infrastrukturen in der Deutschschweiz laden viel mehr zum Velofahren ein als jene der Romandie.
Das Buch zeigt, dass es zwei zentrale Hindernisse gibt für eine grössere Verbreitung des Velos: Erstens ein Mangel an Infrastruktur und unzureichenden Angebote für VelofahrerInnen. In einem Strassensystem, das weitgehend für den motorisierten Verkehr ausgelegt ist, fehlen separate Velowege und Kreuzungen, die für Velos optimiert sind. Dies resultiert in einem Gefühl der Unsicherheit, das einige der befragten VelofahrerInnen empfinden. Auf einer Strasse mit 80 km/h ohne Velostreifen fühlen sich nur 6% der Befragten ziemlich oder sehr wohl. Dieser Prozentsatz steigt auf 82% auf einer Strasse mit 50 km/h mit Velostreifen und erreicht mehr als 95% auf einem vom Verkehr getrennten Veloweg. Der Komfort der VelofahrerInnen hängt also in erster Linie von der verfügbaren Infrastruktur und moderaten Geschwindigkeiten ab, wenn sich Velos und Autos die Fahrbahn teilen. Das zweite Hindernis ist die ungenügende Legitimität. Ein Drittel der VelofahrerInnen glaubt, dass sie auf der Strasse nicht ausreichend respektiert werden. Es bleibt also noch viel zu tun, um das Velo als vollwertiges Verkehrsmittel zu legitimieren.
Weitere Informationen
- Das Buch (fr) kann auf der Website des Verlags direkt bestellt werden. Es ist gibt auch die Möglichkeit für kostenlosen Download.
- Die Universität Lausanne veröffentlichte eine Website mit Aktualitäten zum Buch (fr).
- Patrick Rérat spricht in der Sendung Tribu vom 26. März 2019 auf RTS 1 über die Umfrage (fr).
- Mobilservice News Dossier zur Forschungsreihe Urban Studies des Instituts für Geographie und Nachhaltigkeit (Januar 2019)
- Mobilservice News Dossier zu Verkehrssicherheit mit System: sichere und motivierende Velowege (Dezember 2018)
Dokumente auf Deutsch
Dokumente auf Französisch
- Au travail à vélo - une présentation des principaux résultats de l'enquête [PDF, 12.31 MB]
- Compte rendu de l'enquête dans La revue Tracés [PDF, 2.69 MB]