Blickfeld
Horw (Luzern)
Erstellt am 04.03.2025
Übergabe der Job-E-Bikes an Mitarbeitende (Bild: Blickfeld)
Das Blickfeld in Horw ist eine traditionsreiche Institution in der Agglomeration Luzern. Ausgehend von einem Blindenheim bietet die Institution heute Menschen mit Sehbehinderung und anderen körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen sowie alten, pflegebedürftigen Menschen ein Zuhause und geschützte Arbeitsplätze. Die Mitarbeitenden kommen grossmehrheitlich aus der nahen Umgebung. Dies bietet eine ideale Voraussetzung für eine vielfältige, nachhaltige Mobilität. So wurde im Frühjahr 2023 ein Mobilitätsmanagement eingeführt. Mit jährlichen finanziellen Mobilitätsbeiträgen, der Möglichkeit zum Bezug eines Job-E-Bikes sowie klaren Parkregelungen wird die Anreise mit nachhaltigen Verkehrsmitteln gefördert.
Online Version: https://www.mobilservice.ch/de/3355.html
Profil & Eckdaten
zugeordnete Tags/Schlagwörter
Unternehmensgrösse
- mittel (50 bis 249 MA)
Anstoss
- Aus eigenem Antrieb
Ausmass
- Betriebsintern
Managementsystem
- Eigenständiges Mobilitätsmanagementsystem (MMS)
Raumtyp
- Agglomeration
Unternehmensbranche
- Gesundheit und Soziales
Hintergrund
Tätigkeit des Unternehmens
Das Blickfeld, früher Blindenheim, wurde 1906 als Verein gegründet, um Blinde und Sehbehinderte aus der Innerschweiz zu betreuen. Mittlerweile werden Wohnmöglichkeiten (108 Betten) sowie 70 geschützte Arbeitsplätze angeboten. Es finden auch Menschen mit anderen körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen sowie betagte Pflegebedürftige ein zu Hause im Blickfeld.
Rund 240 Mitarbeitende zählen zum Betrieb. Diese verteilen sich auf die Bereiche Pflege/Wohnen, Hauswirtschaft, Werkstätten sowie die Administration. Eingerechnet sind auch die Mitarbeitenden im geschützten Bereich.
Standort / Rahmenbedingungen
Das Blickfeld liegt in der Gemeinde Horw und nur 3 km entfernt vom Zentrum der Stadt Luzern. Der Standort ist mit allen Verkehrsmitteln rasch, direkt und sicher erreichbar. Ein Grossteil der Mitarbeitenden wohnt in der Agglomeration Luzern.
LV
Das Blickfeld ist mit dem Velo über den Veloweg Freigleis erreichbar, welcher nach Luzern führt und in Richtung Horw ebenfalls auf Tempo-30-Wegen eine sichere Verbindung bietet. Zu Fuss können dieselben Wege genutzt werden.
ÖV
Die Bushaltestelle Horw, Waldegg befindet sich an der Hauptstrasse vor dem Blickfeld. Diese wird zur Hauptverkehrszeit im 7-Minuten-Takt von der Buslinie 20 angefahren (Luzern-Horw). Ebenfalls ist der Bahnhof Kriens Mattenhof zu Fuss in knapp 5 Minuten erreichbar. Von da kann die S-Bahn in Richtung Luzern oder Stans/Wolfenschiessen und Giswil genutzt werden. Die Fahrt an den Bahnhof Luzern dauert 6 Minuten.
MIV
Der nächste Autobahnanschluss ist Luzern-Horw, welcher 4 Fahrminuten entfernt liegt. Das Parkieren auf dem Areal war bislang kostenlos möglich. Zeitgleich zur Einführung des Mobilitätsmanagements wird ein Ersatzneubau umgesetzt, weshalb die Aussenparkplätze für die Mitarbeitenden weggefallen sind. Es wurden Parkplätze in der Nähe angemietet, welche kostenpflichtig sind. Mit dem Ende der Baustelle werden vor Ort wieder Parkplätze angeboten, die neu jährlich zu einem Preis von CHF 960 gemietet werden können. Auch Besucherparkplätze sind kostenpflichtig.
Ausgangslage / Motivation
Verschiedene Aspekte waren für die Einführung eines betrieblichen Mobilitätsmanagements im Blickfeld ausschlaggebend:
- Bereits 2019 hat sich das Blickfeld eigenständig das Konzept für ein Mobilitätsmanagement erstellt. Dieses wurde aufgrund der Coronavirus-Pandemie nicht wie geplant umgesetzt.
- Mit dem Förderprogramm «clever unterwegs» kann die Albert Koechlin Stiftung Unternehmen bei der Konzeption und Umsetzung von Mobilitätsmanagement mit Fachwissen und finanziellen Mitteln unterstützen.
- Der Ersatzneubau nach nachhaltigen Standards läutet eine neue Ära für das Blickfeld ein.
- Die Erschliessung mit der Bushaltestelle an der Hauptstrasse direkt beim Areal sowie direkt am Veloweg Freigleis von Luzern nach Horw ist ideal.
- Das Mobilitätsmanagement soll sämtliche Mitarbeitenden berücksichtigen, auch jene mit einer Beeinträchtigung. Damit schafft das Blickfeld eine Gleichberechtigung nicht nur über die Verkehrsmittel hinweg, sondern auch über die verschiedenen Mitarbeitenden-Gruppen.
Massnahmen
Stand: 2024
Mobilitätsmanagementsystem
Das Mobilitätsmanagement beim Blickfeld wurde im Rahmen des Programms «clever unterwegs» der Albert Koechlin Stiftung entwickelt, realisiert und begleitet. Es wurde im Frühling 2022 eingeführt.
- Ziel: Gleiche Anreize schaffen für die verschiedenen Mobilitätsformen sowie Stärkung der nachhaltigen Mobilität.
- Anhand einer Ist-Analyse sowie einer Pendlerweganalyse mit anonymisierten Wohnadressen der Mitarbeitenden wurde das Potenzial aufgezeigt.
- Das Programm «clever unterwegs» bot eine umfassende Unterstützung für das Blickfeld.
- Die fachliche Unterstützung wurde durch ein Mobilitätsplanungsbüro sichergestellt.
- Finanziell wurden die Mehrkosten für das Mobilitätsmanagement in den ersten drei Jahren der Umsetzung (Jahr 1-3) durch die Albert Koechlin Stiftung getragen. Somit konnte die Einführungshürde für Mobilitätsmassnahmen verringert werden.
- Zugleich hat sich das Blickfeld mit der Teilnahme am Programm dazu verpflichtet, das Mobilitätsmanagement für mindestens sechs Jahre einzuführen. Die Mehrkosten der Jahre 4-6 trägt das Blickfeld selbst.
- Zahlreiche Vorlagen für die Kommunikation waren vorhanden und konnten genutzt werden.
- Vor der Einführung wurden zwei Informationsveranstaltungen für die Mitarbeitenden organisiert. Bei diesen wurde das Programm vorgestellt und die Möglichkeit für Fragen geboten.
- Zur Auswahl der Abos wurde ein physischer Talon versandt mit einem Begleitschreiben. Die Ausgabe der Abos erfolgt an einem Vormittag vor Ort resp. durch den Empfang, wer zu dieser Zeit nicht anwesend ist.
- Im zweiten Jahr wurde bei den Mitarbeitenden eine Befragung durchgeführt zur Zufriedenheit mit dem Mobilitätsmanagement sowie zu Verbesserungswünschen.
- Die Betreuung, die Weiterentwicklung und das Controlling wird intern durch die Leiterin Finanzen/HR und Geschäftsleiterin gemacht.
Bauliche Massnahmen
- Bereitstellung wettergeschützter Veloabstellplätze
Organisatorische Massnahmen / Anreize
- Jährlicher Mobilitätsbeitrag an Mitarbeitende in Form eines Mobilitätsabos. Die Mitarbeitenden können sich auf einem physischen Auswahltalon für eines der folgenden fünf Abos entscheiden, welches für ein Jahr Gültigkeit hat.
- öV-Abo: Die Mitarbeitenden erhalten öV-Gutscheine im Wert von CHF 500 pro Jahr, mit denen sie sich ein öV-Abonnement kaufen können.
- Fuss- & Zweirad-Abo: Die Mitarbeitenden erhalten einen Gutschein von einem Sportfachgeschäft im Wert von CHF 500 pro Jahr. Damit können sie sich Zubehör und Bekleidung für den Fuss- und Veloverkehr kaufen oder einen Teil eines Velokaufs finanzieren. Die Mitarbeitenden können dabei zwischen drei Sportgeschäften mit unterschiedlichem Angebot auswählen.
- Job-E-Bike-Abo: Die Mitarbeitenden erhalten ein E-Bike zur Verfügung gestellt, welches sie für den Pendelweg sowie für private Zwecke nutzen können. Es handelt sich um ein 25km/h E-Bike. Ein jährlicher Service ist inkludiert. Die Mitarbeitenden sind, geregelt in einer Vereinbarung, für die Pflege und Wartung zuständig. Diese wird bei der Übergabe des Job-E-Bikes unterzeichnet.
- Motorrad-Abo: Die Mitarbeitenden können ihr Motorrad kostenlos auf dem Areal abstellen.
- Auto-Abo: Die Mitarbeitenden können ihr Auto auf einem der Parkplätze auf dem Areal abstellen. Sie bezahlen CHF 960 pro Jahr für den Parkplatz, was den Mitarbeitenden in Rechnung gestellt wird.
- Alle Abos enthalten die gleichen jährlichen Beiträge an die Mobilität der Mitarbeitenden (Ausnahme Job-E-Bike). Die Beiträge beziehen sich auf ein 100% Pensum und werden in 10%-Schritten angepasst (z.B. 80-89% Pensum erhalten 80% des Beitrags, 90-99% erhalten 90% des Beitrags, etc.).
- Neu eintretende Mitarbeitende erhalten ebenfalls pro rata ein Mobilitätsabo, welches bis zur nächsten Abowahl gültig ist.
- Reduktion von 30 auf 25 Parkplätze auf dem Areal (im Zuge Bauprojekt), die neu vorwiegend für Besuchende reserviert sind (8-10 für Mitarbeitende).
Information und Bewusstseinsbildung
- Informationsveranstaltung vor erstmaliger Einführung
- Informationen im Intranet
- Information bei Neueintritten (Bewerbungsprozess)
- FAQ mit den wichtigsten Fragen und Antworten zum Mobilitätsmanagement
- Reglement zu den Mobilitätsabos (Gültigkeit, Anspruch, Prozess, etc.)
- Vereinbarung Wartung Job-E-Bike
- Teilnahme an „bike to work“
Wirkungen
Verkehr
- Der Anteil Mitarbeitende, welche das Auto als Hauptverkehrsmittel nutzen, ist von 17% auf 4% gesunken. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zeitgleich die Parkplätze auf dem Areal baubedingt wegfielen und temporär die Parkplätze in der Nähe genutzt werden mussten (Tiefgarage, ca. 10 Min Fussweg).
- Der Anteil Mitarbeitende, welche den öV als Hauptverkehrsmittel nutzen, ist von 42% auf 52% gestiegen.
- Der Anteil Mitarbeitende, welche vorwiegend zu Fuss oder mit dem Velo zur Arbeit kommen, ist von 34% auf 41% gestiegen.
- 20% der Mitarbeitenden geben an, auch bei der privaten Mobilität nebst dem Pendelweg vermehrt zu Fuss, mit dem öV, Velo oder E-Bike unterwegs zu sein.
- Modalsplit 2024 (gem. Mobilitätsabos): MIV 4%, Motorrad 1%, ÖV 52%, Job-E-Bike 2% und Velo/zu Fuss 41%. Es ist zu beachten, dass die Mobilitätsabos teilweise vom Verhalten abweichen (z.B. öV und Velo je nach Witterung genutzt, private Anmietung von Auto-Parkplatz, etc.)
Umwelt
Keine Angaben
Finanzen
Die Gesamtkosten der umgesetzten Massnahmen betragen jährlich rund CHF 80'000 (Jahr 1, 243 Mitarbeitende). Darin enthalten sind die Mobilitätsbeiträge an Mitarbeitende abzüglich der eingenommenen Parkgebühren.
Gesellschaft
Die eingeführten Massnahmen werden von den Mitarbeitenden sehr gut angenommen und immer wieder positiv rückgemeldet. Die Erhöhung der Parkgebühren für Mitarbeitende wird angenommen und im Kontext der Mobilitätsabos verstanden. Bei der Befragung wurde seitens Mitarbeitende kaum Optimierungsbedarf angemerkt.
Projekteffizienz
Aufgrund des tiefen Auto-Anteils ist die Finanzierung der Mobilitätsbeiträge nur zu einem kleinen Teil durch die Einnahmen der Parkgebühren gedeckt. Der Hauptteil wird durch das Förderprogramm (Jahr 1-3) und später vom Blickfeld selbst finanziert.
Erfahrungen
Erfolgsfaktoren
- Ganzheitliches System mit gleichen Anreizen über Verkehrsmittel hinweg (Mobilitätsabos).
- Frühzeitige Information der Mitarbeitenden und positive Kommunikation (Fokus: Gleiche Anreize).
- Geschäftsleitung trägt die Idee des Mobilitätsmanagements mit.
- Anteil Autofahrende ist sehr klein (4%), somit profitiert Mehrheit der Mitarbeitenden von einem neuen, grosszügigen finanziellen Beitrag. Dies trägt dazu bei, dass das Mobilitätsmanagement positiv angenommen wurde.
- Einbezug sämtlicher Mitarbeitenden, auch jene im geschützten Rahmen Eigenmotivation des Blickfelds basiert auf eigenem Entwurf von Mobilitätsmanagement (2019).
- Job-E-Bikes als sichtbares Mittel des Mobilitätsmanagements.
Hemmnisfaktoren
- Unregelmässige Arbeitszeiten/Schichtarbeit erschweren Nutzung des öV.
- Herausfordernde Situation mit Ersatzneubau zeitgleich zur Einführung des Mobilitätsmanagements.
- Einlösung von SBB-Coupons nicht für alle Produkte/Verlängerung von Abos (am SBB-Schalter) geeignet. Einzel-/Mehrfahrtentickets können nicht darüber bezogen werden.
Weitere Informationen
Dieses Unternehmensbeispiel wurde in Anlehnung an die Beispiele der SVI-Studie 2004/045 "Mobilitätsmanagement in Betrieben: Motive und Wirksamkeit" (2008) für die Beispielsammlung auf Mobilservice aufbereitet.
Die Erarbeitung und Übersetzung entstanden 2024 in Zusammenarbeit mit dem Fachverband Mobility Management Suisse MMS und wurde durch die finanzielle Unterstützung von EnergieSchweiz ermöglicht.
Weiterführende Links
- Blickfeld Horw
- Albert Koechlin Stiftung, Programm «clever unterwegs im Unternehmen»
- EnergieSchweiz Mobilitätsmanagement in Unternehmen
- Fachverband Mobility Management Suisse MMS